Studie benennt die Problemzonen der Lokalblätter
Auch im ersten Quartal 2024 war der Verkauf des heimischen Einheitsblatts aus ehemals Westfalenpost und Westfälischer Rundschau weiter rückläufig. Der seit Jahren anhaltende Trend setzt sich damit ungebrochen fort: Immer weniger Hagener wollen das zwangsfusionierte Blatt lesen.
Wie die Informationsgemeinschaft zur Feststellung der Verbreitung von Werbeträgern e. V. (IVW) mitteilt, ging der Absatz der WPWR-Ausgaben im Verbreitungsgebiet Hagen/Herdecke/Wetter im 1. Quartal 2024 im Vergleich zum entsprechenden Zeitraum des Vorjahres um etwa 7 Prozent zurück.
Der Verkauf insgesamt verminderte sich um 6,93 Prozent, die Abonnements um 7,36 Prozent. Der inzwischen völlig bedeutungslose Einzelverkauf ging sogar um 11,87 Prozent zurück.
In Hagen (ohne Herdecke/Wetter) hat die verkaufte Auflage inzwischen einen historischen Tiefstand erreicht: Nur noch 16.059 Zeitungen wurden täglich abgesetzt – bei einer Einwohnerzahl von etwa 197.000.
Der Rückgang hat sicherlich mit verändertem Informations- und Leseverhalten zu tun, aber daneben spielen auch Qualitätskriterien eine Rolle. Die Wochenzeitung Die Zeit berichtete:
Bloß nicht kritisieren
Glaubwürdig, aber ängstlich. Einer Studie zufolge berichten viele Lokalzeitungen zu unkritisch und scheuen sich vor Kommentierungen.
Die Qualitätsdebatte über den Lokaljournalismus gibt es schon seit den Sechziger- und Siebzigerjahren. Die Kritik damals lautete: Die Lokalpresse sei unausgewogen, schreibe langweilig, berichte nur über Vereine und Unfälle, kritisiere und kontrolliere zu wenig. Stimmt das jetzt noch, da Lokaljournalismus auch im Netz stattfindet und eine Social-Media-Gegenöffentlichkeit die einstigen Monopole vieler Lokal- und Regionalblätter infrage stellen kann? (…)
Quelle: zeit.de
Sinkt die Qualität der Tagespresse? Sinkt sie vor allem dort, wo es drauf ankommt – im Lokalen, wo es wenig Konkurrenz gibt oder gar keine? Hannah Schädlich ist für ihre Masterarbeit nach Solingen gefahren, hat sich dort das Solinger Tageblatt angeschaut und mit Journalisten gesprochen sowie mit denen, die mit der Berichterstattung klar kommen müssen. Der Befund: durchwachsen. Unabhängiger Beobachter ist die Zeitung jedenfalls nicht.
„Nützen wollen wir gern – und unterhalten.“
Eine Untersuchung der Qualität im Lokaljournalismus anhand des Solinger Tageblattes
Auszüge:
Boulevardisierung
Das Solinger Tageblatt folgt dem der Medienbranche häufig vorgeworfenen Trend der Boulevardisierung. (…)
Auch wenn alle Positionen zu einem Thema benannt werden, so ist die Gewichtung der Sprecher unausgeglichen und die Interessen der Akteure an einer bestimmten Entscheidung werden nicht transparent genug dargestellt. In manchen Fällen fehlt außerdem die Offenlegung der Quellen bestimmter Informationen, sodass hier eher der Eindruck von Vermutungen entsteht. Sowohl die Vielfalt als auch die Transparenz der Berichterstattung leiden unter der Boulevardisierung. (…)
Emotionalisierung und Dramatisierung
Nicht nur durch die Verteilung der Sprechanteile, sondern vor allem durch Wortwahl und rhetorische Stilmittel kommt es in der Berichterstattung des Solinger Tageblattes zu einer Emotionalisierung und Dramatisierung (…).
Implizite Wertungen
Obwohl das Solinger Tageblatt nach eigenen Angaben durch eine unabhängige, faire und objektive Berichterstattung dem Allgemeinwohl dienen will und auch die aktuellen Redakteure diese Werte in ihrem journalistischen Selbstverständnis hochhalten, finden sich in der aktuellen Berichterstattung implizite Wertungen. Durch Wortwahl, sprachliche Formulierungen und rhetorische Stilmittel werden den Akteuren Rollen zugeschrieben und Handlungen bewertet. (…)
Dadurch, dass nicht nur in als solchen gekennzeichneten Kommentaren direkt bewertet wird, sondern auch in vermeintlich neutralen und „objektiven“ Artikeln implizite Wertungen enthalten sind, leiden die Qualitätskriterien Unabhängigkeit und Objektivität. (…)
Die Parallelen zu Hagen sind unübersehbar.