Eine Glosse von Christoph Rösner
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Mir ist ein Vorabdruck der Rücktrittsrede unseres so genannten Oberbürgermeisters Jörg Dehm zugespielt worden. Lest, und Ihr werdet beruhigt sein:
Verehrte Hagener Bürgerinnen und Bürger. Liebe Kollegen, wenn ich euch ein letztes Mal so nennen darf.
Ein guter Abgang ziert die Übung. Getreu dieses Mottos habe ich mich mit meinen geschätzten Kollegen lange und intensiv beraten, und wir haben uns – gemeinsam – zu der mehr als schmerzhaften Entscheidung durchgerungen, in einem einzigartigen Akt, hier und heute, und wir sind der tiefen Überzeugung, dass es das Beste für un – äh, für die Stadt ist, von unseren Ämtern geschlossen zurück zu treten.
Ebenso schmerzhaft müssen wir konstatieren, dass sich bei einigen von uns der Beliebtheitsgrad umgekehrt proportional zu ihrem Bekanntheitsgrad entwickelt hat. Ich komme nicht umhin, zu gestehen, dass diese Tatsache für uns, und da schließe ich mich ausdrücklich mit ein, dass diese Tatsache uns alle, die wir unsere Kraft, unsere Kreativität und nicht zuletzt unseren guten Ruf in den Dienst der guten Sache gestellt haben, uns getroffen und schließlich zu einer der schwersten Entscheidungen unserer Amtszeit, ja ich sage es, wie es ist, genötigt hat.
Wir alle, und das sage ich aus voller Überzeugung, meine Damen und Herren, wir alle haben eine reine Weste. Wir haben uns nicht mit Ruhm bekleckert!
Ich weiß sehr wohl, dass es mit dieser Stadt nicht zum Besten steht. Aber, und das möchte ich Sie alle mit dem gebotenen Ernst fragen: woran liegt das? Wer hat das zu verantworten? Wenn die Meßlatte immer niedriger gelegt wird – zur Freude der Kurzbeinigen! – darf man sich dann wundern, wenn wir keine großen Sprünge mehr machen können? Nur weil hier der Pleitegeier ein wenig um unser Nest kreist, machen es sich die Spottdrosseln bequem.
So kann das nicht funktionieren, meine Damen und Herren. Wer Perfektion anstrebt, macht sich, und wer könnte das besser wissen, als wir, sehr unbeliebt. Wer sie allerdings erreicht hat, sollte bewundert werden.
Solche Naturgesetze eines funktionierenden Gemeinwesens scheinen mir in Hagen außer Kraft gesetzt, verehrte Abwesende, und jeder sollte sich fragen und ehrlich mit sich ins Gericht gehen, ja, wer hat denn die Ruinen der Zukunft gebaut? Was habt ihr denn gegen mich, gegen den Rat und unsere Beamten? Wir tun doch nichts! Nein, nein. Ich kann nicht umhin, hier und an diesem historischen Tag meiner Enttäuschung freien Lauf zu lassen.
Die Heimat, liebe Hagenerinnen und Hagener, die Heimat, das bedeutet: von Zeit zu Zeit eine Minute Rührung, aber doch nicht dauernd, und, und das richte ich ausdrücklich an alle, die alles besser wissen, es ist leicht, und ich weiß, wovon ich rede, es ist sehr leicht, einen leeren Kopf hoch zu tragen.
Dürfen, meine Damen und Herren, dürfen dürfen hier alle. Nur liegt es nun wirklich nicht in meiner Verantwortung, wenn keiner es kann. Lassen Sie es mich freundlicher ausdrücken: Jeder Politiker ist ein Amateur! Und wenn er das nicht zugibt, ist er nun mal kein Profi. Wie sagt der Volksmund so treffend? „Das hätte ich selber nicht besser machen können!“ Und was bekommen wir tagtäglich zu hören? „Das hätte er besser nicht selber machen sollen!“
Nein, das ist keine Grundlage für eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mehr, und diese Enttäuschung richte ich ausdrücklich an die Hagener Bevölkerung. Wir, und das kann ich mit bestem Gewissen vertreten, wir, und im besonderen meine Wenigkeit, sind keine Dilettanten, wie es uns hier jeder meint ins Stammbuch schreiben zu müssen. Wir haben unsere Fehler immer äußerst gründlich gemacht. Und dazu bekenne ich mich ohne Wenn und Aber.
Für jedes Problem hatten wir eine Lösung, das es ohne uns nie gegeben hätte. Wir haben rechtzeitig erkannt, dass Stadtplaner Städte nicht für sich selbst planen, sondern für die Bürger, denn sonst schmeckt der Köder dem Angler, aber nicht dem Fisch! Oder umgekehrt … Nein, ein Könner seines Fachs macht seine Fehler, wenn keiner hinkuckt. Leider, und daran krankt diese Stadt in ihren Grundfesten, wenn ich so sagen darf, leider kucken hier immer alle hin und meinen obendrein, sich die absurdesten Dinge in den Kopf setzen zu müssen, ohne sich zu vergewissern, ob sie überhaupt einen haben!
Meine Damen und Herren, und bevor ich mich in meiner finalen Festrede noch fest rede, an unserem Entschluss ist nicht zu rütteln, wie gesagt, und da wiederhole ich mich gerne, bis zum bitteren Ende war und ist das Wohl unserer Stadt unsere gemeinsame Triebfeder. Aufgeblasene Menschen leben ständig in der Angst vor spitzen Bemerkungen, und Sie wissen es genau, Angst ist ein schlechter Ratgeber im politischen Tagesgeschäft.
Wir hatten vieles in der Hand, und noch weniger im Griff, aber ich erwarte keine Dankbarkeit, und ich bitte auch ausdrücklich Abstand zu nehmen von der Illusion, wir würden unsere Entscheidung revidieren.
Im Namen des gesamten Rates bedanke ich mich dennoch herzlich und, ich gebe es unumwunden zu, nicht ohne Wehmut, für die schöne Zeit, die wir Ihnen und uns versauen … äh, bereiten durften.
Gemeinsam treten wir ab von der Bühne der Kommunalpolitik, wir verlassen das Abschussrampenlicht, wenn Sie mir diese gelungene Metapher gestatten, und gehen in der Hoffnung, unser Abschied möge die Geburt schöner Erinnerungen bei uns und bei Ihnen einleiten.
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