Hagener Politik versagt im Kampf gegen Feinstaub
Bereits an 16 Tagen wurden in diesem Jahr in Hagen schon die Grenzwerte der Feinstaubbelastung überschritten – in nicht einmal drei Monaten. Die Obergrenze für das ganze Jahr liegt gemäß einer Verordnung der Europäischen Union bei 35 Tagen.
Gegenmaßnahmen werden von Seiten der kommunalen Politik nur in homöopathischen Dosen ergriffen, die das Problem nicht wirklich entschärfen. Als Leitlinie scheint hier der dumme Satz zu gelten: Freie Fahrt für freie Bürger.
Dumm ist dieser Spruch gleich in mehrfacher Hinsicht:
Erstens gehören nach dieser verquasten Logik diejenigen, die sich anders als mit dem Pkw durch die Stadt bewegen (ÖPNV, Fußgänger, Radfahrer etc.) nicht zur Spezies der „freien Bürger“.
Zweitens haben sogar die „freien Bürger“, die im – selbst erzeugten – Stau stehen, eben keine „freie Fahrt“.
Drittens sind Unternehmen, die nach dem „Just-in-time“-Prinzip ihre Lagerhaltung in Form von Lkw-Flotten auf die Straße verlegt haben, keine Bürger.
Der ganze Stolz der Entscheidungsträger ruht auf einem Umleitungsprogramm für Lastkraftwagen, die auf kilometerlange Ausweichrouten geschickt werden. Dass damit die Probleme nicht gelöst, sondern nur verlagert werden, nehmen die Strategen in Kauf. Lärm und Dreck werden nur in andere Stadtteile verlagert. Die bevorzugten Wohngebiete der Großkopfeten bleiben natürlich außen vor.
Ob die zeitlich befristeten Durchfahrverbote überhaupt eingehalten werden, wird so gut wie nicht kontrolliert. Sollte doch einmal zufällig jemand erwischt werden, sind die Verwarngelder so lächerlich gering, dass sie keine abschreckende Wirkung erzielen.
Ein weiteres Ansinnen, für das sich die Entscheider und ihre medialen Verstärker auf die Schulter klopfen, ist der Bau neuer Straßen wie der Bahnhofshinterfahrung. Neue Straßen ziehen erfahrungsgemäß nur weiteren Verkehr an – eine Erkenntnis, die man in Hagen wohl noch nicht realisiert hat.
Die neueste Schnapsidee zur Entschärfung der Luftbelastung kommt aus dem Bereich von Fundamentalisten, die selbst vor der Schleifung denkmalgeschützter Gebäude nicht zurückschrecken, nur um ihr Weltbild nicht ins Wanken geraten zu lassen. Fast könnte man hinzufügen: Der Islamische Staat mit seinen ebenfalls ideologisch begründeten Verwüstungsorgien an Kulturgütern lässt grüßen.
Ein ernstgemeinter Versuch, motorisierten Individualverkehr in der Stadt auf ein erträgliches Maß zu reduzieren, ist jedenfalls bisher nicht gestartet worden. Dabei gäbe es probate Mittel dazu. Neben einer signifikanten Verbesserung des ÖPNV (der in Hagen seit Jahren völlig kontraproduktiv eingedampft wird) wäre das beispielsweise der Einsatz sogenannter Pförtnerampeln, die den Zufluss von Fahrzeugen in die Stadt regulieren.
Mittels intelligenter Schaltungen wird dabei versucht, durch Festlegen eines maximalen Zuflusses einen Stadtbereich zu entlasten. Dies geht in der Regel einher mit künstlichen Staus vor den Pförtnerampeln. Das Ziel ist hier, die Verkehrsstärke im belasteten Bereich nicht über die vorhandene Kapazität steigen zu lassen, da ein Stau an dieser Stelle noch nachteiliger wäre als vor der Pförtnerampel.
Daneben können Staueffekte aus sensiblen Bereichen (z.B. Wohngebieten) in weniger sensible Bereiche (z.B. Gewerbegebiete) verlagert werden, um Lärm- und Schadstoffbelastungen der Anwohner zu reduzieren. Solche Zuflussregelungsanlagen können helfen, kostspielige oder umfeldunverträgliche Straßenausbauten zu vermeiden.
Für Rat und Verwaltung in Hagen sind solche Überlegungen allerdings Böhmische Dörfer, hier herrscht ein künstlicher Stau nur in den Hirnen. Woanders regiert hingegen mehr der Verstand als der Gasfuß. Dort wird der künstliche Stau – nicht der in den Hirnen, sondern der auf den Straßen – sinnvoll eingesetzt. Dazu berichtet die Thüringer Allgemeine von einem Projekt aus Erfurt:
Künstlicher Stau an Stadteinfahrten soll die Erfurter Luft verbessern
Um Erfurt von Autoabgasen zu entlasten, soll der Pendlerverkehr künftig am Stadtrand abgefangen und durch den Ampeltakt so dosiert werden, dass er auf dem weiteren Weg ins Stadtzentrum flüssiger rollen kann.
Das Vorhaben mit dem Namen „umweltsensitive Verkehrssteuerung“ soll bis 2018 umgesetzt werden und ist mit Investitionen von 4,5 Millionen Euro verbunden, von denen 80 Prozent gefördert werden. Ein Pilotprojekt an der Leipziger Straße habe nachgewiesen, dass mit dieser Methode die Belastung durch Stickoxid und Feinstaub in der Kernstadt, aber auch insgesamt reduziert werden kann, sagt Frank Rupprecht, der Erfurter Abteilungsleiter Verkehr. Die Methode soll nun auf die etwa zehn wichtigsten Einfallstraßen sowie auf ähnlich viele Schleichwege angewendet werden. (…)
Das Vorhaben wird im Kooperationsvertrag der rot-rot-grünen Stadtrats-Mehrheit ausdrücklich unterstützt. Da der CDU-Stadtrat Jörg Kallenbach im Verkehrsministerium arbeitet und das Projekt von dort aus mit betreut, ist auch von der CDU Rückenwind für die neue Verkehrssteuerung zu erwarten.
Quelle: Thüringer Allgemeine
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