Wie die WPWR als selbsternannte „Stimme der Heimat“ Stimmung macht
Seit Jahrzehnten zählt Hooligan-Randale zur „Fußball-Kultur“. Symbolbild: Liondartois, CC BY-SA 3.0.
An Spieltagen des milliardenschweren Fußball-Business mit der Bahn zu fahren, ist nicht unbedingt ein freudiges Ereignis. Um die Banden sogenannter „Fans“ wenigstens halbwegs in Schach zu halten, wird ein immenser Aufwand betrieben. Nicht nur in den Zügen und der Nähe der Arenen, sondern auch weiter entfernt.
Regelmäßig sind auch am Hagener Hauptbahnhof vor und nach Bundesligaspielen Polizeitruppen in voller Kampfmontur zu beobachten, um im Bedarfsfall der Szene Einhalt zu gebieten. Und um das Milliardengeschäft Fußball zu sichern – auf Kosten der Steuerzahler.
Hat die WPWR diese Zustände jemals problematisiert? Eher nicht.
Eine Rockerbande marschiert offenbar unangemeldet mit 200 Mann durch Wehringhausen, um ihren Gebietsanspruch zu verdeutlichen. „Das ist ein Zeichen an alle, dass Hagen unsere Hauptstadt ist“, so der Anführer gegenüber der WPWR.
Kritik von Seiten des Blattes angesichts dieser Machtdemonstration? Keine.
Im Gegenteil. So erstarrte Redakteur Hubertus Heuel in einem sehr ausführlichen Bericht geradezu vor Ehrfurcht: „Die Freeway Riders sind die Hagener Rocker. Männer wie Bäume, mit breitem Kreuz, ausladendem Brustkorb und muskelbepackten Armen. Männer wie Schränke.“
Später gab es dann Schießereien auf offener Straße im Rockermilieu, in dichtbebauten Wohngebieten. Die wurden von der WPWR als simple Strafsachen abgehandelt, ohne großartig auf die Gefahrenlage für die Hagener Bevölkerung hinzuweisen.
Wochenende für Wochenende müssen die Anwohner im Umfeld des Elbers-Geländes die Exzesse von Besuchern der dort ansässigen Disko ertragen. Ein Kriminalitätsschwerpunkt mit Schlägereien, Messerattacken und lautstarkem Gegröle.
Was macht das Blatt? Liefert am laufenden Band PR-artige Artikel zu Gunsten des (inzwischen ehemaligen) Betreibers dieses Etablissements.
Grundsätzlich anders erscheint die Gemütslage der Redaktionsstube (das ehemalige Pressehaus ist zum Großteil fremdvermietet), sobald es nur einen Anhaltspunkt gibt, Migranten in Haftung zu nehmen. Dass hier Rassismus im Spiel sein könnte, ist nur schwerlich von der Hand zu weisen.
Jüngstes Beispiel ist die Berichterstattung (soll man diese Elaborate wirklich so nennen?) zu den Altenhagener Exzessen in der Neujahrsnacht. Dort hatten, so die übereinstimmenden Meldungen von Polizei und Medien, etwa 20 Jugendliche mit Feuerwerk teilweise gezielt auf Polizeibeamte und andere Menschen geschossen und Mülltonnen und Sperrmüll in Brand gesetzt.
Für die WPWR ein willkommener Anlass, ihre ins Stocken geratene Kampagne gegen Migranten und EU-Zuwanderer neu zu befeuern. Immer im Versuch, mit Sensationsmeldungen die dem Abgrund entgegen strebenden Auflagenzahlen irgendwie zu stabilisieren.
Die andauernde pauschale Diskreditierung von Zuwanderern aus Rumänien und Bulgarien trägt bereits Früchte, wie in einem Leserbrief an die WPWR zu erkennen ist. Dort wusste ein Klaus Weimer, dass es sich bei den Tätern um „Jugendliche, oft osteuropäischer Herkunft“ handelt.
Die Hagener Polizei erklärte dagegen auf Anfrage der WPWR, dass es sich bei den Silvester in Altenhagen in Gewahrsam genommenen Personen um „Deutsche mit Migrationshintergrund (deutsch-türkisch bzw. deutsch-tunesisch)“ handele. Die mediale Propaganda war also auf fruchtbaren Boden gefallen.
Gegen solches Geschreibsel hilft nur faktenbasierte Aufklärung. Mehr als 74 Prozent der 6.105 Bürger im statistischen Bezirk Eckesey-Süd, dazu gehört überraschenderweise auch die Alleestraße in Altenhagen, haben einen Migrationshintergrund oder sind Ausländer. Das sind 4.536 Personen (Quelle: Hagener Bevölkerungsatlas, Stand: 31.12.2021). Davon sind bei den Silvesterkrawallen gerade einmal 20 in Erscheinung getreten. Kein Grund also, pauschal das große Geschütz gegen „jugendliche Migranten“ aufzufahren.
Selbst die Zuordnung „jugendlich“ trifft nicht in ihrer Absolutheit zu, wie folgendes Bild zeigt:
Augenscheinlich kein Jugendlicher mit Waffe in der Alleestraße. Screenshot: WDR
Ob sich der bewaffnete Mann inzwischen im Fokus der Polizei befindet, ist nicht bekannt.
Der Hagener Oberbürgermeister Schulz hat sich bisher sachlich zu den Vorgängen in der Silversternacht geäußert. Der WPWR sagte er: „Mir ist aktuell nicht bekannt, welche Herkunft jene offensichtlich rund 20 Personen haben, die für die Ausschreitungen in der Alleestraße verantwortlich sein sollen.“
Wohl um sich bei der heimischen Presse nicht weiter unbeliebt zu machen, fügte er hinzu; „Aber unabhängig von diesen verabscheuungswürdigen Ereignissen in unserer Stadt bleibt nach den bundesweiten Medienberichten der letzten Tage festzuhalten, dass ein nicht geringer Teil der Täter augenscheinlich über einen Migrationshintergrund verfügt.“
Ein Kriterium, das im Vergleich mit anderen kriminellen Erscheinungen in dieser Stadt nicht inbedingt an erster Stelle stehen dürfte.
(Anm.: In einer früheren Version dieses Beitrags war die Allestraße dem statistischen Bezirk Altenhagen-Süd zugewiesen worden. Tatsächlich wird diese Straße in Altenhagen von den städtischen Statistikern aber Eckesey zugeschlagen. Für die Bewertung der Presseberichterstattung ist diese Zuordnung allerdings irrelevant.)
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