WP-Autor Goebels behauptet viel und kann es nicht belegen
Das Internet, und dort besonders die „sozialen“ Netzwerke (wieso heißen die eigentlich so?), ist voll von Falschmeldungen. Wer nun glaubt, die klassischen Medien seien dagegen gefeit, irrt allerdings. Auch dort gehen Redakteure zuweilen mit den Fakten sagen wir mal: etwas „flexibler“ um.
So auch die Hagener Westfalenpost in der Ausgabe vom vergangenen Donnerstag (21. Jan. 2016). Dort titelte die selbsternannte „Stimme der Heimat“: „Viele Flüchtlinge geben sich in NRW als Syrer aus“.
Wer in dem zugehörenden Artikel nach Belegen für diese Behauptung Ausschau hält, sucht aber vergebens. Autor Wilfried Goebels, Düsseldorfer Landeskorrespondent des Blattes, füllt den größeren Teil der beiden Spalten erst einmal mit den in Köln und anderen NRW-Städten eingegangenen Anzeigen zu Sexualdelikten aus der Silvesternacht.
Nahtlos geht der Bericht über zu einer Razzia in zwei Flüchtlingsunterkünften in Ahlen. Dort stellte die Polizei fest, dass von 150 Überprüften etwa jeder Zweite mehrere Identitäten besaß. Goebels benutzt den Begriff „Ausweispapiere“, worunter der durchschnittliche Leser Reisepässe oder Personalausweise verstehen dürfte.
Das behauptet explizit auch ein weiterer Artikel in derselben Ausgabe der Westfalenpost: „Viele Nordafrikaner mit mehreren Pässen“. Auch das bleibt beim Leser hängen und verstärkt den Eindruck, hier kämen massenhaft falsche Syrer ins Land.
Aus dem Bericht geht dann allerdings etwas ganz anderes hervor. Bei den mehrfach vorhandenen Papieren handelt es sich offenbar um von deutschen Behörden ausgestellte „Bescheinigungen über die Meldung als Asylsuchender“. „Die Personen hatten sich in mehreren Unterkünften registrieren lassen und mehrfach Sozialleistungen wie zum Beispiel Taschengeld kassiert“, schreiben die Autoren.
Betrug gegenüber öffentlichen Kassen ist an deutschen Stammtischen eindeutig das minderschwere Vergehen. Dort brüstet man sich gerne damit, die Versicherung beschissen zu haben oder das Finanzamt zu linken. Mehr als 30 Millionen Euro an der Steuer vorbeigelenkt zu haben gilt – vor allem bei einem Fußballfunktionär – als lässliche Sünde.
Bei einem Taschengeldbetrüger, besonders wenn er nichtdeutscher Herkunft ist, sieht das natürlich ganz anders aus. Da findet ein Überbietungswettbewerb bei der Forderung statt, jetzt müsse aber das Gesetz Anwendung finden – und zwar mit ganzer Härte. Falsche Pässe bieten noch mehr Erregungspotential.
Personen mit mehreren Pässen wurden aber in Ahlen, soweit bekannt, nicht angetroffen. Auch WP-Schreiber Goebels kann seine forsche Behauptung nicht belegen. In seiner Not vermag er nur die Dortmunder Rechtsdezernentin Jägers (CDU) zu zitieren: „Wir haben die Vermutung, dass die Mehrheit derer, die sich seit Sommer in unseren Dortmunder Erstaufnahmeeinrichtungen als Syrer registrieren ließen, gar keine Syrer sind.“ Eine „Vermutung“.
Im Beitrag über die Ahlener Razzia kommt ein Landtagsabgeordneter (ebenfalls von der CDU) zu Wort. Auch der kann nicht als Zeuge für Goebels steile Thesen herhalten. Manche gäben sich als Syrer aus, um leichter als Asylbewerber anerkannt zu werden, wird der Mann indirekt zitiert. Manche.
Im ganzen Jahr 2015 wurden in Deutschland etwa 440.000 Asylanträge gestellt, davon 8.000 von Personen aus den Maghreb-Staaten. Selbst wenn man unterstellt – was nicht belegt ist -, dass sich davon jeder Zweite als Syrer ausgegeben hat, wäre das noch nicht einmal 1 Prozent.
Aus Goebels Behauptung „Viele“ bleiben am Ende also nur „Manche“, „Vermutungen“ und 1 Prozent, wenn überhaupt. Mehr nicht.
Goebels bewegt sich damit ganz nah an jenem Müll, der über die „sozialen“ Medien verbreitet wird. Nur etwas perfider. Genau mit derartigen Halb- und Falschinformationen wird der Extremismus der sogenannten „Mitte der Gesellschaft“ angefacht und das Geschäft der Rechtspopulisten befördert.
Und WP-Goebels wirkt als Brandbeschleuniger daran mit.
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