SPD und GRÜNE legen Positionspapier vor
Seit der Kommunalwahl 2014 herrschte beim Problemfall Hagener ÖPNV drei Jahre lang politischer Stillstand, obwohl SPD als auch GRÜNE dessen Mängel im Wahlkampf damals durchaus thematisiert hatten.
Um diese Debatte endlich voran zu bringen und gemeinsame Wege zu finden, haben sich SPD und GRÜNE heute an die anderen Hagener Parteien gewandt.
Die Attraktivität des ÖPNV in Hagen habe seit Jahren leider permanent abgenommen und das Angebot gerade für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sei völlig indiskutabel, heißt es in dem Schreiben der beiden Parteien. Linienführungen und Taktfolgen vor allem außerhalb des Zeitraums von 7 bis 18 Uhr seien kaum noch vertretbar und berücksichtigten nicht den Wandel der Lebensverhältnisse. Ebenso entsprächen die Fahrzeuge hinsichtlich Komfort (z.B. bei der Klimatisierung) und Kapazität (in Bezug auf Rollatoren und Kinderwagen) überwiegend nicht mehr dem heute notwendigen Standard.
„Wir sind uns als SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darin einig, dass wir den ÖPNV in Hagen dringend zu einem Schwerpunkt der politischen Arbeit machen müssen. Die Attraktivität unserer Stadt hängt entscheidend davon ab, wie gut unser Nahverkehrssystem funktioniert. Eine Alternative zum Individualverkehr ist das Busnetz nicht. Auch angesichts der Umweltbelastungen – insbesondere aufgrund der Tallage Hagens – ist es jedoch notwendig, ein attraktives Nahverkehrsangebot zu schaffen“, teilen die beiden Parteien weiter mit.
Mit ihrem gemeinsam erarbeiteten und jeweils einstimmig beschlossenen ÖPNV-Konzept böten sie konkrete inhaltliche Lösungsvorschläge an.
„Wir wollen diese Diskussion gemeinsam führen. Dies ist dringend nötig und daher laden wir Sie und Ihre Partei dazu ein, sich daran konstruktiv und zum Wohle unserer Stadt zu beteiligen.
Treten Sie mit uns in den Dialog – für die Zukunftsfähigkeit unseres ÖPNV in Hagen! Lassen Sie uns gemeinsam an den dort formulierten Zielen arbeiten und an die Fraktionen des Stadtrats herantreten, um eine breite Mehrheit dafür zu erreichen. Wir freuen uns Vorschläge und Diskussionsbeiträge Ihrerseits.“
Öffentlicher Personennahverkehr in Hagen
Positionspapier von SPD und GRÜNEN
Vorbemerkung
Das Busnetz der Hagener Straßenbahn, die Linienführung und die Taktfolge werden seit vielen Jahren überwiegend von dem Bemühen geprägt, das Defizit so gering wie möglich zu halten. Ausgehend von der Finanzkrise der Stadt Hagen, dem Verlust des steuerlichen Querverbundes und den wegbrechenden Erträgen der Mark E / Enervie wurden drastische Einschnitte in dem Angebot der Hagener Straßenbahn vorgenommen. Die dazu erforderlichen Entscheidungen wurden vom Rat der Stadt Hagen getroffen.
Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Attraktivität des öffentlichen Personennahverkehrs in Hagen in den letzten Jahren permanent abgenommen hat.
Es muss festgehalten werden, dass das Angebot für Arbeitnehmer außerhalb der Innenstadt mit nicht regelmäßiger Tagesarbeitszeit völlig indiskutabel ist. Die Arbeitnehmer in dieser Stadt haben weitgehend ihren Arbeitsweg ohne Nahverkehr organisiert und sind auf den Individualverkehr ausgewichen. Formal werden die Gewerbegebiete zwar bedient, allerdings sind Taktfolge und Fahrtzeiten völlig unakzeptabel.
Negativ betroffen sind z.B. die Arbeitnehmer, die aufgrund ihrer sozialen Situation und der Arbeitszeiten eigentlich auf ein funktionierendes Nahverkehrssystem angewiesen sind. Dies gilt insbesondere für die Mitarbeiterinnen des Einzelhandels und der Pflegeberufe.
Montags bis freitags sind außerhalb des Zeitraums von 7.00 Uhr bis 18.00 Uhr vertretbare Linienführungen und Taktfolgen nicht gegeben. Dies schränkt auch im erheblichen Umfang die Bewegungsmöglichkeiten der älteren Bevölkerungsteile ein. Verschärft wird diese Situation noch an den Wochenenden.
Insgesamt berücksichtigt die Planung nicht den Wandel der Lebensverhältnisse. Das Geschäftsleben in der Innenstadt endet nicht mehr wie vor vielen Jahren um 18.30 Uhr, an Samstagen sind nicht mehr ab 14.00 Uhr die Geschäfte geschlossen.
Deutlich weniger als 50 % der eingesetzten Fahrzeuge entsprechen dem notwendigen Komfort für Fahrgäste und Fahrer hinsichtlich der Klimatisierung der Fahrzeuge.
Die zunehmende Zahl der Fahrgäste, die auf einen Rollstuhl oder Rollator angewiesen sind oder Kinderwagen mitführen, übersteigt die Kapazität der Busse bei weitem.
Die Bevölkerung kann ohne Nutzen des Individualverkehrs nicht mehr an dem gesellschaftlichen Leben in der Stadt in den Abendstunden und an den Wochenenden teilnehmen. Der demografische Wandel macht diese Entwicklung noch dramatischer, Ältere sind bis ins hohe Alter darauf angewiesen, mit dem PKW zu fahren.
Eine Alternative ist das Busnetz nicht.
Die Notwendigkeit dem Individualverkehr angesichts der Umweltbelastungen – insbesondere aufgrund der Tallage Hagens – ein attraktives Nahverkehrsangebot gegenüber zu stellen, wird in keiner Weise erreicht.
Konsequenz
Es ist dringend geboten, dass der öffentliche Personennahverkehr ein Schwerpunkt der politischen Arbeit in Hagen wird.
Dabei ist zunächst festzustellen, dass die Schwachstellen keine Kritik an den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Hagener Straßenbahn bedeuten. Die Vorgaben des Rates und deren Vertreter im Aufsichtsrat der Hagener Straßenbahn haben diese Situation herbeigeführt. Es gilt gemeinsam trotz der angespannten Haushaltslage der Stadt Verbesserungen und Optimierungsmöglichkeiten zu entwickeln.
Die viel diskutierte Attraktivität Hagens hängt nicht zuletzt und entscheidend auch von einem gut funktionierenden Nahverkehrssystem ab.
Dies umso mehr, da durch den dringend notwendigen Umstieg vom Individualverkehr auf den ÖPNV sich die Immissionsbelastungen mit Feinstaub und Stickoxiden senken lassen. Das ist ein wichtiger Baustein, die Menschen an den vielbefahrenen Straßen vor erheblichen Gesundheitsgefahren zu bewahren und gleichzeitig drohende Strafzahlungen der EU wegen Nichteinhaltung der Grenzwerte zu vermeiden.
Maßnahmen
Nahverkehrsplan
Die vom Rat beschlossene Neufassung des Nahverkehrsplans für Hagen bietet die Chance, die notwendigen Änderungen umzusetzen.
Dabei sind folgende Ziele umzusetzen
- Verstärkung des Angebots in den Abend- / Nachtstunden und an den Wochenenden, dies schließt auch individuelle Lösungen mit ein (z. B. Anrufsammeltaxen, oder Busse per App à http://www1.wdr.de/nachrichten/ruhrgebiet/duisburg-bus-app-bestellen100.html )
- Optimierung der Linienführung mit dem Ziel, die Reisezeiten zu verkürzen,
- verbindliche Umsteigebeziehungen in den Nebenzentren um abseits gelegene Wohngebiete zu erschließen,
- Anbindung der Nebenzentren in einem 15 Minuten-Takt, Linien mit dem selben Endziel müssen dieses Ziel zu unterschiedlichen Zeiten im Rahmen der Taktvorgabe erreichen,
- Vermeiden von Parallelfahrten
- Verlässlichkeit (Pünktlichkeit) der Verbindungen, Zusatzmaßnahmen aufgrund von langfristigen Verkehrsstörungen z. B. durch Straßenbauarbeiten,
- Anbindung des Schienenverkehrs an die Innenstadt verbessern, z. B. durch
- Schaffung eines Haltepunktes für die DB in Eilpe im Bereich des Einkaufscentrums schaffen, dafür könnte der Haltepunkt Oberhagen aufgegeben werden.
- Die Aktivierung des Bahnhofs Vorhalle. Abstimmen des Fahrplans und des Angebots mit überörtlichen Anbietern (z. B. DB)
- Verpflichtende Ausstattung aller Fahrzeuge mit Klimaanlagen, Neuanschaffung von Bussen nur noch mit emissionsarmer Antriebstechnik (ab 2025?)
- Verstärkte Berücksichtigung der Transportnotwendigkeit für Menschen mit Handicaps.
- Sicherung der vorhandenen Sozialstandards für die Mitarbeiter der Verkehrsunternehmen als zwingende Vorgabe im Rahmen des Nahverkehrsplans
Stadtplanung
Bei der anstehenden Neuausrichtung der Verkehrsplanung aufgrund des Zustandes der Hagener Brücken ist darauf zu achten, dass eine Vorrangstellung für den ÖPNV sichergestellt wird,
Mögliche Maßnahmen sind
- Vorrangschaltungen bei den Ampelanlagen, separate Busspuren für Busse, Taxen und Radfahrer,
- Verknüpfung der unterschiedlichen Verkehrsmittel durch
- Schaffung von Park-and-Ride Möglichkeiten (z.B. Höing, Eilpe, Haspe, Vorhalle),
- Einbinden des Radnetzes in den ÖPNV durch zentrale Umsteigmöglichkeiten mit sicheren Abstellmöglichkeiten für die Räder.
- Öffnung des Bahnhofstunnels nach Fertigstellung der Bahnhofshinterfahrung (dadurch kann eine Anbindung sowohl des Radverkehrs als auch der Fußgänger ermöglicht werden
- Konsequente Vorrangpolitik für den ÖPNV durch Einschränkung des Individualverkehrs.
Neue und alternative Mobilitätskonzepte
Langfristig bzw. mittelfristig wird das ÖPNV-Angebot durch alternative Verkehrsmittel und –angebote sich verändern. Die Hagener Straßenbahn AG ist daher durch den Rat damit zu beauftragen, diese Konzepte für Hagen mit zu entwickeln und auch umzusetzen (Car Sharing, selbstfahrende kleinere Transporteinheiten, usw.).
Sicherheitsaspekt
Die Situation an der zentralen Haltestelle am Hauptbahnhof ist für viele Fahrgäste mehr als besorgniserregend, Belästigungen, Pöbeleien, Bedrohungen, Betteleien verunsichern die Fahrgäste. Dies gilt insbesondere in den Abendstunden, dann auch an der Haltestelle im Innenstadtbereich. Ältere Personen trauen sich häufig nicht mehr, bei Dunkelheit diese Bereiche zu nutzen.
Es sind daher zusätzliche Sicherheitskräfte in diesen Bereichen einzusetzen. Dabei ist auch zu prüfen, ob in den Abend- und Nachtstunden zur Sicherheit der Fahrer und der Fahrgäste Fahrbegleiter eingesetzt werden.
Weiteres Vorgehen
Es ist dringend geboten, dass die dargestellten Probleme, Maßnahmen und Anregungen in die öffentliche Diskussion intensiv einfließen. Im Gegensatz zu anderen Interessengruppen verfügen die Nutzer des ÖPNV über keine öffentliche Lobby.
Hier sind die Parteien von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gefordert, sich massiv zu engagieren.
Die Diskussion und die Ergebnisse werden nicht losgelöst von der Hagener Finanzsituation zu diskutieren und zu erzielen sein, dennoch ist es erforderlich, dass der öffentliche Personennahverkehr in den Mittelpunkt der Diskussion gestellt wird.
Finanzielle Entscheidungen über die Konsequenzen des neuen Nahverkehrsplans sind im Gegensatz zum derzeitigen Ratsbeschluss am Ende des Diskussionsprozesses zu treffen.
Unabhängig von der aktuellen Diskussion zur Neufassung des Nahverkehrsplanes für Hagen besteht Einigkeit, dass gesellschaftspolitisch die Förderung des öffentlichen Personenverkehrs auf allen Ebenen die einzige Alternative zum drohenden Verkehrskollaps ist und eine wirksame Maßnahme zur Verbesserung der teilweise gesundheitsgefährdenden Immissionsbelastung darstellt.
Von daher müssen sowohl der Bund als auch die Länder die dafür erforderlichen Maßnahmen und Mittel zur Verfügung stellen, z.B.
- durch verbesserte Zuschüsse bei der Anschaffung von Bussen mit emissionsarmen Antrieben
- ……
Es gilt diese Position stärker in den Schwerpunkt der öffentlichen Diskussion zu stellen.
Drucken, Mailen, Facebook, Twitter:
Gefällt mir:
Gefällt mir Wird geladen …