„Wie lange lässt sich die Hagener Bevölkerung eigentlich noch diese Stümperei und Klüngelei in Politik und Verwaltung ihrer Stadt gefallen?“ fragt sich der Hagener Rechtsanwalt Martin vom Brocke in einem Leserbrief, der gestern in der heimischen Presse veröffentlicht wurde.
Vom Brocke verweist korrekterweise darauf, dass „dem Verwaltungsvorstand langsam die Mitglieder ausgehen, die keinem Ermittlungs- und Disziplinarverfahren ausgesetzt sind.“ Mit einer Portion Sarkasmus macht er u.a. die „rheinischen Frohnaturen“ in der Verwaltungsspitze für die Misere verantwortlich. Tatsächlich sind die ehemalige Kämmerin Grehling, OB Dehm und der neue Rechts- und Kulturdezernent Huying Rheinländer.
Es entbehrt nicht einer gewissen Pikanterie, dass Martin vom Brocke selbst aus einem der beiden Flügel des SPD-CDU-Konglomerats stammt, das in Hagen seit Jahrzehnten den Ton angibt. So war er von 1975 – 1980 Vorsitzender der Hagener Jungen Union, des CDU-Jugendverbandes.
Während also die Kritik an den Machenschaften der Spitzen von Politik und Verwaltung selbst in den eigenen Reihen nicht mehr zu bremsen ist, versuchen die Hauptakteure, die Schuld jeweils der anderen Seite zuzuschieben. Ein völlig unglaubwürdiger Aktionismus, haben doch beide Seiten in schönster Eintracht auch in diesem Jahr ihren gewohnten Verschiebebahnhof mit Dezernenten- und Geschäftsführerposten betrieben. Was jetzt von CDU und SPD auf den Programmzettel gesetzt wird, ist nur eins: ein Schaukampf fürs Publikum.
Zur Illustration die aktuellen Pressemitteilungen von CDU und SPD:
CDU: Bihs und Grothe sollen verzichten
„Unglaublich, inakzeptabel, unverschämt!“ Mit diesen knappen Worten kritisiert der CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Röspel die Vorgänge im Vorstand der Wirtschaftsbetriebe Hagen (WBH). „Mir drängt sich der Eindruck auf, dass den beiden Geschäftsführern Joachim Bihs und Thomas Grothe, wie zuletzt auch HEB-Chef Werner König, jeder Bezug zur Wirklichkeit abhandengekommen ist. Statt erst einmal die versprochenen Synergien in der vergrößerten Anstalt nachzuweisen, werden Mitarbeiter von der Stadt in die Anstalt überführt und sofort befördert. Da werden Dienstwagen mit der Begründung bewilligt, damit seien alle Überstunden abgegolten. Da versucht der schon umfassend finanziell abgesicherte WBH-Anstaltsleiter seine Geschäftsführerbezüge über den Kniff von maximierten Beamtenbezügen zu verstetigen. Und zu guter Letzt will sich der Mitgeschäftsführer in Nebentätigkeit, Thomas Grothe, mit einer Dienstlimousine der Extraklasse dafür entlohnen lassen, dass er weiterhin für das verantwortlich ist, was er vorher als Dezernent zu verantworten hatte. Das ist unfassbar, wäre aber auch so im Verwaltungsrat nie beschlossen worden.“
Für den CDU-Kreisvorsitzenden Christoph Purps ist das Ausmaß der betriebsinternen Selbstbedienungsmentalität erschreckend: „Wenn das ein Einzelfall wäre, könnten man noch an individuelle Gedankenlosigkeit glauben. Aber das hier hat System. Wie soll ich als Bürger verstehen, wenn der ehemalige SPD-Partei- und Betriebsratsvorsitzende Werner König als scheidender HEB-Geschäftsführer ohne jede Notwendigkeit mit Billigung des Betriebsrates schnell noch fünf Gefälligkeitsdienstwagen an die zweite Leitungsebene verschenkt und zusätzlich noch die private Nutzung frei stellt? Wir Kommunalpolitiker müssen den Menschen in der Stadt jeden Tag erzählen, wo die Stadt Leistungen kürzen oder die Steuern anheben muss, weil die Kommunalaufsicht das von uns erwartet. Und auf der anderen Seite vermitteln städtische Geschäftsführer den Eindruck, sie würden das Geld mit vollen Händen zum Fenster rauswerfen.“
Für den CDU-Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Röspel kann es jetzt nur einen Weg geben: „Die CDU-Fraktion hat sich immer für eine leistungsorientierte Bezahlung ausgesprochen. Dabei bleiben wir auch. Deshalb fordern wir Herrn Bihs auf, bis zum Vorliegen der vorläufigen Ergebniszahlen des Jahres 2012 auf eine Gehaltserhöhung zu verzichten. Erst wenn er anhand definierter Kennzahlen seinen Erfolg nachweisen kann, wird der Verwaltungsrat über eine moderate Anpassung seiner Bezüge reden. Eine dauerhafte Beförderung in die B-Besoldung, die auch noch weit über seine Geschäftsführertätigkeit nachwirkt, werden wir keinesfalls mittragen.“ In dieser Haltung sieht sich Röspel in trauter Einigkeit mit der SPD: „Gerade die SPD hat immer wieder deutlich gemacht, dass sie eine B-Besoldung im Umfeld der Stadtverwaltung für inakzeptabel hält. Daran werden wir sie jetzt messen.“ Von Baudezernent Thomas Grothe erwartet Röspel, dass er tut, was zu tun ist: „Es wäre besser, er würde selbst erkennen, dass ein Dienstwagen in seinem Fall dauerhaft unangebracht ist, bevor der Verwaltungsrat den Vorschlag ablehnen wird.“
OB Dehm „scheinheilig“
SPD kritisiert Vorgänge um Wirtschaftsbetriebe Hagen (WBH)
Die Vorgänge um die WBH mit der Bezahlung von Überstunden und der Gestellung von Dienstwagen für die Führungskräfte schadet dem Betrieb selbst und der Stadt in erheblichem Maße. „Hier ist Vertrauen verspielt worden und viel Kredit bei den Bürgerinnen und Bürgern verloren gegangen“, ist Mark Krippner von der negativen Wirkung der Vorgänge überzeugt.
Gleichzeitig mahnt der Fraktionsvorsitzende der SPD-Fraktion an, in der Kritik nicht übers Ziel hinaus zu schießen. „Die Gehaltsvorstellungen müssen schon im Kontext zu den übrigen städtischen Betrieben betrachtet werden. Da kann man im Vergleich zu den Geschäftsführungen, die erst jüngst von den Herren Dehm und Röspel bei HVG und Enervie mit neuen Verträgen ausgestattet wurden, wohl kaum von Raffgier und inakzeptabel sprechen. Gerade die Beiden sollten sich besser etwas zurückhalten“, ist Mark Krippner erbost über die Scheinheiligkeit, die hier an den Tag gelegt wird. Schließlich wurde gerade durch OB und CDU in der Beteiligungskommission eine Anhebung von Herrn Bihs nach B 3 befürwortet, während von unserer Seite noch beamtenrechtliche Bedenken gesehen wurden.
Der OB sieht sich zudem schließlich selbst wegen des Beratervertrags für Christian Schmidt staatsanwaltlichen und disziplinarischen Ermittlungen gegenüber und versucht hier vom eigenen gravierenden Fehlverhalten abzulenken. Röspel stellt dem OB einen Persilschein aus und will andere Personen in den Fokus rücken. „Diese politische Einäugigkeit lassen wir nicht durchgehen“, macht Mark Krippner das Vorgehen seiner Fraktion deutlich.
Aus Sicht der SPD-Fraktion macht dieses Vorgehen deutlich, dass der OB nicht mehr unvoreingenommen seinen Geschäften nachgeht und gut daran getan hätte, bis zur Klärung der Vorwürfe gegen ihn sein Amt ruhen zu lassen.
Die Kritik an der Beschaffung eines Dienstwagens für Thomas Grothe wird von der SPD-Fraktion in vollem Umfang geteilt. Mark Krippner: „Dieser nicht zu akzeptierenden Vorschlag bedient den Vorwurf öffentlicher Selbstbedienung und muss vom Tisch“. Aber auch hier gilt es nicht nur auf die WBH zu schauen, sondern alle Dienstwagenregelungen im Konzern Stadt unter die Lupe zu nehmen. „Wir erwarten in der Beteiligungskommission einen detaillierten Bericht über die Dienstwagensituation in allen städtischen Betrieben und werden dann über Vorgaben und Richtlinien entscheiden“, so Mark Krippner. „Es wirft kein gutes Licht auf das Führungspersonal, wenn solche Dinge nicht eigenverantwortlich vernünftig erledigt werden und erst Richtlinien und ein Verhaltenskodex erlassen werden müssen“, zeigt sich Mark Krippner insgesamt enttäuscht von den aktuellen Ereignissen.
Zur Aufarbeitung der aktuellen Kritikpunkte hat die SPD-Fraktion die beigefügten Fragen gestellt.
Anmerkung: Wo sie die Fragen gestellt haben will, sagt die SPD nicht.
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