Hagens Corona-Politik hinkt der Lage hinterher und bedient lieber Partikularinteressen
Die Zahl der in Hagen coronainfizierten Mitbürger erreichen immer neue Höchststände, währenddessen die vom Krisenstab unter der Leitung von Oberbürgermeister Erik Olaf Schulz beschlossenen Gegenmaßnahmen nicht vorausgreifen, sondern weitgehend hinter den Entwicklungen und Erfordernissen zurückbleiben.
Die jetzt bekannten Infektionszahlen bilden nach übereinstimmender Ansicht der Experten den Stand von vor 10 bis 14 Tagen ab, also den Zeitraum, in dem sich die Betroffenen angesteckt haben. Da sich sich die Infektionen exponentiell ausbreiten, dürfte die reale Zahl der Infizierten schon heute wesentlich höher liegen.
Seitens der Verantwortlichen wären also nicht nur Reaktionen auf zurückliegende Tatbestände zu erwarten, sondern vorbeugende Maßnahmen. Die sind allerdings nicht zu erblicken.
Zwar haben die Hagener Entscheidungsträger irgendwie die Vorgaben des Landes umgesetzt, die dank des NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet („Locker-Laschet“) in der Vergangenheit schon bescheiden genug ausgefallen waren, aber sie haben immer noch reichlich Löcher gefunden, selbst diese zu umgehen.
Im Fokus standen und stehen dabei die Belustigungs- und Unterhaltungsgewerbe. Die scheinen in Kreisen von Politik und Verwaltung ganz oben angesiedelt zu sein. Nicht etwa Schulen und Wirtschaft, deren mögliche Schließung nach einer weiteren Verschärfung der Lage man eher zu tolerieren bereit ist – wenn man die Hagener Corona-Politik betrachtet.
Die versucht in erster Linie Umgehungen für ihre Lieblinge zu schaffen. Schon in der ersten Welle der Pandemie im Frühjahr setzte die OB-Verwaltung alles daran, Schlupflöcher zu finden. So war es eigentlich untersagt, dass Profisportler – also streng genommen sportähnliche Unterhaltungskünstler – städtische Anlagen benutzen dürfen. Genehmigt war nur die Nutzung von Anlagen im Eigentum der Sportfirmen.
Der Hagener Oberbürgermeister definierte diese Bestimmung kurzerhand um: „Nach einer rechtlichen Prüfung wurde die Einschätzung getroffen, dass ausdrücklich nicht auf das Eigentum abgestellt wird, sondern auf die tatsächliche Verfügungsgewalt und auf die Möglichkeit, dafür zu sorgen, dass niemand anderes parallel die Anlage nutzt.“
Einiges spricht dafür, dass es sich um eine lex phoenix handelte. Die Basketballfirma Phoenix Hagen ist kein Verein, sondern eine GmbH & Co. KG auf Aktien. Als Vorsitzender des Aufsichtsrats firmiert Wolfgang Röspel, als ehemaliger Fraktionschef der CDU im Hagener Rat im Rahmen der Allianz des Grauens ein langjähriger politischer Weggefährte des Oberbürgermeisters.
Sogar die Handball-Profis vom TuS Volmetal zeigten sich überrascht von den Beschlüssen des Corona-Krisenstabs. Dem Heimatblättchen berichteten sie: „Der TuS Volmetal wird das Angebot der Stadt nicht nutzen und nicht in Kleingruppen in der Halle trainieren. Das halten wir aktuell für ein falsches Signal.“
Unter besonderem Schutz steht in Hagen auch das Schaustellergewerbe. So sind Kirmesveranstaltungen laut Landesverordnung aus guten Gründen untersagt – aber man kann es ja umgehen: Nicht nur in Hagen, aber eben auch hier, wurde ein Zaun um den Festplatz gestellt und der Rummel zum Freizeitpark umdeklariert – das Ordnungsamt hatte keine Probleme damit.
Einem „Bauernmarkt“ im Hagener Stadtteil Hohenlimburg erteilte der Haupt- und Finanzausschuss noch dann seinen Segen, nachdem das Theater auf dringende Empfehlung des Krisenstabes bereits einen Tag zuvor den Betrieb eingestellt hatte. Erst der Rat stoppte das Vorhaben drei Tage vor dem angesetzten Termin.
Ähnlich das Vorgehen beim Betrieb einer Disko. Eigentlich ebenfalls nicht statthaft, selbst mit Auflagen nicht. In Hagen unter den Augen des Ordnungsamtes trotzdem möglich, der Betreiber dankte OB Schulz ausdrücklich persönlich.
Als Ende August die Infektionszahlen schon fast wieder das Niveau vom April erreichten, hatten die Ratsfraktionen vor allem das Wohlergehen der Budenbetreiber im Blick: „Ratsfraktionen sagen Schaustellern volle Unterstützung für Weihnachtsmarkt zu“, teilten sie in einer gemeinsamen Pressemitteilung mit.
Jetzt hat sich der Krisenstab der Stadt zu einer Maskenpflicht in der Fußgängerzone der Innenstadt und dem Bereich vor dem Hauptbahnhof durchgerungen. Auch das ist wieder zu kurz gesprungen. Andere stark frequentierte Bereiche bleiben weiter außen vor.
So hätten zumindest angrenzende Bereiche mit Geschäften und viel Publikumsverkehr einbezogen werden müssen. Zu nennen wären die Frankfurter Straße vom Ring bis zur Schulstraße oder die untere Elberfelder Straße bis zum Schwenke-Zentrum.
Oder der Hasper Kreisel samt dortiger Fußgängerzone. Vor allem auf den im Stadtteilzentrum gelegenen Abschnitten der Berliner und Kölner Straße drängeln sich auf schmalen Gehwegen die Passanten und wartenden Fahrgäste der Busse.
Aber diese Bereiche sind in den Überlegungen des Krisenstabes außen vor geblieben. Vorausdenken in Zeiten explodierender Infektionszahlen gehört offensichtlich nicht zum Repertoire der Entscheider.
Die „Strategie“ des Unterlassens und Hinterherhinkens sowie des Bedienens von Partikularinteressen wird genau das befördern, was doch eigentlich verhindert werden soll: Einen erneuten Lockdown.
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