von Christoph Rösner
Was mach ich jetzt nur?! Ich bin völlig verzweifelt. Sollte die Drohung eines weiblichen Neumitglieds tatsächlich wahr werden? „Vor dem Sommer mach ich den OV-Hohenlimburg platt …“ Diesen wunderschönen, typisch grünen Satz hatte sie kürzlich meinem – nun verlorengegangenen Co-Sprecher Martin Porck – geschenkt.
Ich erwähne den Namen der wunderbaren Frau mit Hang zu exzessivem Tierschutz und mit einem eingebauten Knopf für spontanen Tränenfluss lieber nicht, nachher heißt es wieder, ich sei böse oder agiere parteischädigend. Dass diese Dame noch vor ein paar Monaten Mitglied in einer durchgeknallten Freiheitskämpfertruppe in Hohenlimburg war, sei hier nur am Rande erwähnt.
Also, wo liegt der verrückte Köter in der heißen Pfanne? Diese Partei, ich spreche von der Grünen-Dependance in Hagen, ist nicht mehr zu schädigen.
Denn was sich hier im Laufe der Jahre angehäuft, was sich hier inzwischen widerspruchslos zutragen kann, spottet jeglicher Beschreibung.
Gut, ich gebe es zu, mein Eintritt bei Bündnis90/Die Grünen war ein mehr oder weniger zwingender Schritt, nicht weil die Partei und ihre offiziellen Vertreter bundesweit einen derart guten Ruf genießen, sondern weil ich gewittert hatte, die grüne Gesinnung könne tatsächlich gesamtgesellschaftlich greifen und politisch die nötigen Schritte einleiten und auch endlich in Hagen Fuß fassen. Zumal in der Bevölkerung die Zustimmung für meine Partei niemals zuvor solch Schwindel erregende Werte erreicht hat.
Aber jetzt kommt´s: Was ich in Hagen mit und bei den Grünen erleben durfte und darf, hat das Potenzial zum Politiktrauma. Hatte ich doch gedacht bzw. geglaubt, bei den Grünen gäbe es all das nicht, worüber in Hagen ständig lamentiert wird, Vetternwirtschaft, Filz, Machtpoker, Postenschacherei, Intrigen und, und … schlug ich nach relativ kurzer Zeit hart auf den Boden der grünen Tatsachen in Hagen auf.
Gut, ich gehöre eher zu jenen, die sich ziemlich schnell wieder berappeln, und, je nach Grad des Schocks neige ich auch eher dazu, es als Gegenmaßnahme textuell ordentlich rappeln zu lassen.
Aber ich muss zugeben, diesem Sturz auf den grünen Beton der Hagener Realität, verdanke ich doch diese oder jene Blessur – daher meine längere Schreibpause – Und nicht nur ich.
Seht nur meinen Co-Sprecher Martin Porck in Hohenlimburg. Den hat die grüne Realität in Hagen bereits dahingerafft. Aber keine Sorge, er lebt, ist guter Dinge und erzählt mir wenigstens einmal am Tag, welche positiven Effekte für ihn die schriftlich ausführlich verfasste und an alle Verantwortlichen gesendete Lossagung und die Aufgabe jeglicher Ämter bei Grüns ausgelöst haben.
Doch ich bin noch nicht soweit, auch wenn ich hier mindestens fünf bis sechs „Parteifreund*Innen“ in Amt und „Würden“ mit Namen benennen könnte, die schon unruhig auf ihren durchgesessenen Mandatsstühlchen hin- und herrutschen und es gar nicht erwarten können, dass der ungeliebte Nestbeschmutzer Rösner die Brocken schmeißt.
Nee, nee, Ihr „Liebe*Innen“, darauf müsst Ihr noch ein kleines, grünes Weilchen warten. Sorry, das kann und werde ich Euch leider nicht ersparen.
Ihr müsst schon ein Parteiausschlussverfahren gegen mich anstrengen, und Ihr wisst ja, wie schwer sowas ist. Fragt mal bei der SPD im Fall Sarazzin an … also, was kommt noch? Einiges, versprochen. Ich arbeite intensiv mit den wenigen guten und aufrechten Grünen eng zusammen, denen es nicht a priori um die eigene Karriere, das eigene lächerliche Pöstchen geht, mit jenen nämlich, die bei Problemen oder Konflikten face to face miteinander reden können, um die Geschichte aus der Welt oder gleich in den Orcus zu befördern.
Mit jenen, die nicht mit hundert wohl ausformulierten Sätzen offen zu Tage tretende Probleme und die Betroffenen in den Schlaf oder wahlweise in die Vollnarkose quatschen, um das Heikle nicht ansprechen oder klären zu müssen.
Ich fühle mich mit und bei jenen sehr wohl und dann auch sehr grün, denen das ignorant-lethargische Gehabe ihrer „Parteifreund*innen“ so auf die Eier geht wie mir.
Und, auch das soll hier aufgeschrieben werden: man kann bei Grüns tatsächlich Freund*Innen finden – allerdings nur, wenn man sehr wachsam und selektiv vorgeht.
Massiv unwohl fühle ich mich, wenn aus der grünen Ecke offen nationalistisch-reaktionäre Statements und Kommentare ins Netz gekotzt werden, gerne im Kontext der Flüchtlingsthematik, die von Jedem und Jeder ohne größeren übersetzerischen Aufwand als nur wenig verklausulierter AfD-Sprech demaskiert werden können. Wie gesagt, face to face? Fehlanzeige.
Und? Sowas wird hingenommen, ohne Konsequenzen, ohne Androhung von Disziplinarmaßnahmen. Und wollt Ihr wissen, warum? Nur ein Stichwort: reichlich fließende Parteispenden … Übrigens, alle diese Statements sind ordentlich gesammelt und archiviert, und in meiner Funktion als freier Journalist werde ich sie zur ´rechten´ …hahaha … Zeit veröffentlichen oder als Künstler entsprechend aufbereitet meinem neugierigen Publikum zu Gehör bringen.
Jetzt könnt Ihr sagen, Mensch, Rösner, wie naiv bist du denn? Politik ist ein schmutziges Geschäft. Und warum sollten die Grünen davor gefeit sein?
Und ich gebe Euch zur Antwort: ja, Ihr habt Recht, Politik ist ein schmutziges Geschäft, und täglich bleiben die wenigen Aufrechten, die sich solchen Machenschaften verweigern oder in den Weg stellen, auf der Strecke.
Aber ich frage Euch? Müssen wir das hinnehmen? Müssen wir kopfschüttelnd mit ansehen, wie die Politik, und damit wir alle in Städten wie Hagen – vom Bund oder von Europa will ich gar nicht sprechen – jeden Tag aufs Neue in die Grütze geritten werden? Müssen wir es hinnehmen, dass man mit leicht ironischem Unterton und schulterzuckend die Durchfilzung unserer Stadt zur Kenntnis nimmt und weiter sein Ding macht?
Sollen wir, die anderen in Hagen, die wirklich Grün fühlen und denken, tatsächlich akzeptieren, dass im Bund die grünen Umfragewerte durch die Decke schießen, während in Hagen bereits in den Hinterzimmern die geeigneten Koalitionen ausgekungelt werden, um einem untätigen und augenscheinlich unfähigen OB und Freund einiger Grüner – man kennt sich, man hilft sich – eine zweite Amtszeit zu sichern und dabei in Kauf nehmen, das Grün in Hagen zwischen Schottergärten und unbotmäßigen Baumfällungen so gut wie nicht vorkommt? Müssen wir all das mitmachen?
Nein, antworte ich Euch. Das müssen wir nicht.
Im Gegenteil, wir müssen uns den Allerwertesten aufreißen, damit Grün als machtvolle politische Kraft in Hagen laut auftritt und wahrgenommen wird. Der grüne Bundeshype, ja, wo finde ich den denn in Hagen? Weit und breit nix!
Aber was soll man auch erwarten, wenn sich mit ein paar Ratsmandaten zufrieden gegeben wird und man sich ansonsten in einer Allianz der Vernunft – welch ein Paradeexempel für einen gelungenen Euphemismus! – verkriechen kann.
Ihr liegt völlig richtig, wenn Ihr meint, meine Enttäuschung in diesem Text förmlich mit Händen greifen zu können.
Aber ein schöner Sinnspruch vom Marquis de Sade bewahrt mich vor Schlimmerem: „Man erlebt immer wieder Enttäuschungen, aber man lernt auch immer besser damit umzugehen.“
Und nur zur Information: Tränen habe ich wegen der Grünen bis heute noch nicht vergossen. Wird auch nicht passieren – dafür sind andere in unserem wunderbaren Kreisverband zuständig. Die können das sogar auf Knopfdruck. Toll. Ehrlich!
Ehrlich Leid tut´s mir ein bisschen für die enthusiasmierten Neumitglieder, die diesen Erguss am Beginn ihrer Mitgliedschaft über sich ergehen lassen müssen. Aber besser jetzt als zu spät und jetzt – ohne Ironie! – Herzlich willkommen! Wir werden Euch noch brauchen!…
Drucken, Mailen, Facebook, Twitter:
Gefällt mir:
Like Wird geladen …