Umwelthilfe lässt sich auf zweifelhaften Vergleich mit der Stadt Hagen ein
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH), das Land NRW sowie die Stadt Hagen haben in einem Klageverfahren zur Fortschreibung des Luftreinhalteplans einen vom Oberverwaltungsgericht NRW (OVG) moderierten Vergleich geschlossen, der konkrete Maßnahmen zur Einhaltung des Immissionsgrenzwerts für Stickstoffdioxid vorsieht. Fahrverbote sieht der Vergleich nicht vor.
Insgesamt betrachtet ist die Vereinbarung aus Sicht des Umwelt- und Klimaschutzes enttäuschend und in Bezug auf eine Verkehrswende inkonsequent und mangelhaft. Möglicherweise liegt das daran, dass die DUH die Gegebenheiten vor Ort nicht kennt und sich auf Angaben (oder soll man besser „Einflüsterungen“ sagen?) der Hagener Verwaltung verlassen hat.
Zunächst fällt das auf, was in dem Vergleich überhaupt nicht vorkommt: ein Durchfahrverbot für LKWs mindestens im Innenstadtbereich, wenn nicht sogar in der Umweltzone bzw. auf den Routen zwischen den Autobahnanschlüssen. So etwas hatte zuletzt selbst die Hagener CDU gefordert, die in der Vergangenheit eher als Lordsiegelbewahrer des Speditionsgewerbes aufgetreten war.
Das Fehlen eines Durchfahrverbots ist umso unverständlicher, als es doch nach einem ähnlichen vom OVG moderierten Vergleich mit der Stadt Dortmund dort auf der Bundesstraße 1 eingeführt wird.
Zur Anordnung von Tempo 30 am Märkischen Ring mit dem Ziel, „eine Emissionsminderung in dem betreffenden Streckenabschnitt zu erreichen“ stellt der Vergleich fest: „Die aktuelle Entwicklung der vom LANUV gemessenen Immissionswerte für 2019 scheint die Wirksamkeit dieser Maßnahme zu belegen.“ Ein Blick in die bisher veröffentlichten Daten des LANUV belegt das Gegenteil – die Unwirksamkeit dieser Maßnahme.
Inkonsequent ist die vorgesehene Sperrung einer Linksabbiegerspur am Emilienplatz aus Richtung Landgericht, die voraussehbar nur zu vermehrten Staus auf der Heinitzstraße führen wird. Zielführend wäre eine Rückverlagerung des Staus auf die Saarlandstraße mittels Einrichtung einer Pförtnerampel in Höhe der Einmündung Aschenbergstraße. So etwas wurde im Dortmunder Vergleich für das südliche Haupteinfallstor in die Innenstadt vereinbart.
Richtig abenteuerlich wird es bei weiteren Vereinbarungen. So ist doch tatsächlich in dem Vergleich zu lesen: „Die Stadt Hagen verfügt bislang bereits über ein ausgewiesenes P&R-Angebot.“ Ein Satz, der wohl direkt per copy+paste aus einem Papier der Stadtverwaltung übernommen wurde. Ein größeres Angebot an P&R-Stellplätzen solle aber erst „mittelfristig umgesetzt werden“.
Ebenfalls aus der Presseabteilung des Oberbürgermeisters könnten folgende Sätze stammen: „Im Zuge von Neuplanungen von Straßen und öffentlichen Plätzen werden zunehmend Parkplätze eingespart. So wird beispielsweise durch die Baumaßnahme Marktbrücke der angrenzende öffentliche Parkplatz um ca. 15 Parkplätze dauerhaft reduziert.“ Ganze 15, und dann auch noch „dauerhaft“! Welch einschneidende „Einsparung“ – bei 1.000 freien Plätzen allein in den Parkhäusern im Innenstadtbereich zu praktisch jeder Tageszeit.
Oder dieser: „Auch bei der Umgestaltung des Wilhelmsplatzes und des Bodelschwinghplatzes komme es zu einer Parkraumverknappung.“ Was das mit der Verkehrsbelastung der Innenstadt zu tun hat, ist nicht nachvollziehbar. Und bezogen auf den Bodelschwinghplatz auch noch falsch. Für die auf dem Platz entfallenen Stellplätze sind auf beiden Seiten der Wehringhauser Straße reichlich neue geschaffen worden, von „Verknappung“ kann beim besten Willen keine Rede sein. Eher von Vermehrung.
Hier lohnt wieder der Blick nach Dortmund. Dort wurde eine großflächige Ausweitung der Anwohnerparkzonen vereinbart. Davon ist im Hagener Vergleich nichts zu finden.
Auch ein möglicher Umbau des Innenstadtrings in ein Einbahnstraßensystem fand Eingang in den Vergleich. Hier ließ sich die DUH auf folgende Formulierung ein: „Aus lufthygienischer Sicht zeigt sich die Maßnahme Schlaufenerschließung (Einbahnstraßenlösung für den Innenstadtring) an den Hotspots Graf-von-Galen-Ring und Märkischer Ring sehr wirksam.“
Noch so ein Satz, der direkt aus der Presseabteilung des OBs stammen könnte. Denn so etwas haben selbst die Gutachter des „Masterplans Mobilität“, dem dieser Vorschlag entstammt, in dieser Form nie behauptet.
Im Masterplan heißt es vielmehr: „Bei qualitativen Bewertungen lagen keine Erkenntnisse in Form von Zahlen vor, somit wurden die Wirkungen der Maßnahmen aus diesen Steckbriefen rein qualitativ von den Experten in einem internen Workshop eingeschätzt.“
Und: „Bei einer quantitativen Abschätzung erfolgte, wenn die Daten vorlagen oder sinnvoll angenommen werden konnten, eine Abschätzung mit der Angabe von Zahlenwerten. Diese Zahlenwerte bilden aber eine reine Abschätzung mit vielen Annahmen und unbekannten Einflüssen und sollten nicht zur Kontrolle der Maßnahme herangezogen werden.“
Zusammenfassend lässt sich leider nur feststellen: Die Umwelthilfe hat sich von der Stadt Hagen über den Tisch ziehen lassen.