Großer Auflauf von Funktionären – Bürger waren nicht eingeladen
Scherenbrigade: Ina Hanemann, Karola Geiß-Netthöfel, Thorsten Schmitz-Ebert, OB Erik O. Schulz und Henning Keune eröffnen offiziell die rekonstruierte Gartenanlage am Hohenhof. Foto: Charlien Schmitt/Stadt Hagen.
Die große Internationale Gartenausstellung Metropole Ruhr 2027 rückt Schritt für Schritt näher: Nach dem Spatenstich am 27. April 2022 und einem Jahr intensiver Bauzeit sind die Arbeiten in der Gartenanlage des Hohenhofs fast abgeschlossen. Im Rahmen einer offiziellen Einweihungsfeier präsentierte die Stadt Hagen geladenen Gästen am gestrigen Freitag, 5. Mai, die neu rekonstruierte Gartenanlage.
Im Vorfeld bekannt gemacht wurde der Termin der Einweihung nicht. Bürger waren offenbar nicht erwünscht, die Funktionseliten wollten unter sich bleiben. Nach welchen Kriterien die Geladenen ausgesucht wurden, ist nicht bekannt.
Interessierte werden ersatzweise mit zwei Wochenenden im Mai abgespeist, vorgesehen sind geführte Rundgänge, für die pro Person 8 Euro zu berappen sind (Eintritt + Führung) und eine Voranmeldung erforderlich ist. Die Chance, eines der wenigen Highlights, die Hagen zu bieten hat, über einen Tag der offenen Tür oder ähnliches populärer zu machen, wurde leichtfertig verschenkt.
Im Rahmen der Einweihung konnten nur die Gäste aus der Funktionsliga einen ersten Eindruck der umfangreichen Bauarbeiten erhalten.
Vor Ort waren Thomas Sommer (Leiter Regionale Entwicklung, Kommunalaufsicht und Wirtschaft der Bezirksregierung Arnsberg), Thorsten Schmitz-Ebert (Leiter Umweltbereich und Arbeitsschutz der Bezirksregierung Arnsberg), Markus Weiß (Landschaftsverband Westfalen-Lippe), Dr. Jost Wilker (Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes NRW), Claudia Bönnighausen (Forstchefin und zuständige Abteilungsleiterin im Umweltministerium), Ina Hanemann (Referatsleiterin Denkmalschutz und Denkmalpflege beim Ministerium für Heimat, Kommunales, Bau und Digitalisierung), Karola Geiß-Netthöfel (Regionaldirektorin Regionalverband Ruhr), Sylvia Weigner (IGA Metropole Ruhr), sowie Vertreter der beteiligten Unternehmen.
Auch die Beteiligten der verschiedenen Fachbereiche der Stadt Hagen sowie des Vorstandsbereichs 5 und des Wirtschaftsbetriebs Hagen nahmen an der Veranstaltung teil.
Wie allerdings die „Hagen.Wirtschaftsentwicklung“ zu einer Einladung gekommen ist, bleibt rätselhaft. Die städtische Gesellschaft (vormals „Hagen-Agentur“) hat weder etwas mit Kultur noch mit Denkmalschutz zu tun. Sie ist vielmehr ein Fass ohne Boden, deren garantierter Betriebskostenzuschuss aus der notleidenden Stadtkasse von bis zu 1,5 Millionen Euro jährlich 2021 auf 2,3 Millionen Euro erhöht wurde. Eine adäquate Gegenleistung ist bis heute nicht zu erkennen.
Projekt Hohenhof als ökologisches Zeichen für die Zukunft
Überlagert, verändert und zerstört durch die zweckentfremdeten Nutzungen im Zuge der wechselvollen Geschichte des vergangenen Jahrhunderts und die Herausforderungen dieses Jahrhunderts vor Augen, wurde der Garten des Hohenhofs auf der Grundlage einer gartendenkmalpflegerischen Entwicklungskonzeption und einer darauf aufbauenden landschaftsarchitektonischen Ausführungsplanung behutsam für die Zukunft wiederhergestellt.
Durch die Rekonstruktion des Gartens aus der Feder des Architekten und Künstlers Henry van de Velde, dessen unterschiedliche Bereiche wenige Jahre später vom Gartenarchitekten Leberecht Migge verschiedenen Nutzungen zugedacht worden waren – Erholung und Gesundheit, Feiern und Spiel, Rückzug und Kontemplation, Lebensmittelversorgung und Hauswirtschaft – können Besucherinnen und Besucher zum einen unterschiedlich gestaltete Garten- und Naturräume in seinem urbanen Umfeld erleben.
Zum anderen können sie dessen Einordnung als Gesamtkunstwerk in den geschichtlichen Kontext der Reformbewegungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, hier am Beispiel der Gartenvorstadt Hohenhagen, eindeutig erkennen. Nach der Fertigstellung erstrahlt die Gartenanlage des Hohenhofs nicht nur nach historischem Vorbild, sondern wird darüber hinaus auch ökologisch nachhaltig weiterentwickelt und damit zukunftsfähig gemacht. Denn große Teile des Gartens liegen im Landschaftsschutzgebiet Emst oder gehören zu dem geschützten Landschaftsbestandteil „Hohenhof“, einem Kalk-Buchenwald.
Rekonstruktion nach Skizzen von van de Velde und Migge
Der umgesetzten Planung liegen zwei bauliche Zeitschienen aus dem Beginn des 20. Jahrhunderts zugrunde. Die erste basiert auf dem städtebaulich-freiraumplanerischen Entwurf von Henry van de Velde aus dem Jahr 1907 mit seiner sehr strukturiert-architektonischen Entwurfssprache. Die spätere Zeitschicht (1913) ist auf die sozialreformerischen Planungsansätze des Gartenarchitekten Leberecht Migges zurückzuführen.
Die Gesamtanlage des Gartens am Hohenhof besteht aus einem gärtnerisch intensiv gestalteten Teil im unmittelbaren Umfeld des Gebäudekomplexes sowie einem weitestgehend landschaftlich belassenen Bereich in dessen weiterem Umfeld. Insbesondere in den naturbelassenen Bereichen hat diese Planung das Potential, einen wesentlichen Beitrag zur Klimaresilienz durch die Anpflanzung neuer Bäume und Sträucher und zum Erhalt der Artenvielfalt durch die Wiederherstellung verloren gegangener Vegetationsbereiche wie Obstwiesen und Saumbiotopen zu leisten.
Die gezielten Verbesserungen der Vegetationsstrukturen durch Erhaltungsmaßnahmen im Altbaumbestand – wie zum Beispiel dem Erhalt von Habitatbäumen im Sinne des Fledermausschutzes auf der einen Seite sowie durch den Erhalt von gehölzfreien Flächen wie Waldlichtungen und Wiesentälern auf der anderen Seite – wird die landschaftliche Vielfalt und Biodiversität erhöht. Die Übergänge von der historischen Gartenanlage zur freien Landschaft werden zudem durch die umgesetzten Maßnahmen genauer definiert, durch die gezielte Besucherlenkung können die besonders schützenswerten Bereiche entlastet werden.
Ausflugsziel für Naturliebhaber
„Die rekonstruierte Gartenanlage soll nicht nur ein ökologischer, sondern auch ein überregional bedeutsamer Ort werden, der Besucherinnen und Besucher nach Hagen lockt und sie zum Lernen, Entdecken, Staunen und Genießen einlädt“, sagt Oberbürgermeister Erik O. Schulz. Dank der neuen, angepassten Wegeführungen sowie Aufenthalts- und Sitzmöglichkeiten an ausgewählten Standorten im Garten, können Besucher hier zur inneren Ruhe und Einkehr gelangen.
Durch die verschieden vernetzten Grünräume wie Wiesen und Obstbaumhaine, Alleen-, Heckenstrukturen und Staudenrabatten wird die Vielfalt auch im Kleinen erlebbar gemacht. So wiederhergestellt, kann der Garten am Hohenhof einen Beitrag zum bewussten Naturerleben vor der eigenen Haustür leisten. Langfristig soll sich das Gesamtkunstwerk landes- und bundesweit zum dauerhaften Anziehungspunkt mit ganzjährigen Nutzungsangeboten für Kultur, Umweltbildung und Freizeit sowie auch kommunalen Dienstleistungen entwickeln.
Förderung ermöglicht umfassende Rekonstruktion
„Die Stadt Hagen ist für die Internationale Gartenausstellung Metropole Ruhr 2027 besonders wichtig“, sagt Karola Geiß-Netthöfel, Aufsichtsratsvorsitzende IGA Metropole Ruhr und Regionaldirektorin Regionalverband Ruhr. „Die rekonstruierte Gartenanlage am Hohenhof repräsentiert die Vielfalt des Ruhrgebiets und setzt ein Zeichen für die Zukunft nachhaltiger Projekte.“
Zur Umsetzung der Maßnahmen für die Wiederherstellung der denkmalgeschützten Gartenanlage hatte die Stadt Hagen im Jahr 2021 einen Antrag auf Zuwendung des Landes NRW und der Europäischen Union im Rahmen der Richtlinie REACT EU „Förderprogramm Grüne Infrastruktur“ unter Einsatz von Mitteln aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) 2014-2020 „Investitionen in Wachstum und Beschäftigung“ in der Aufbauhilfe für den Zusammenhalt und die Gebiete Europas gestellt.
Kurz vor Weihnachten 2021 folgte die Zusage aus Arnsberg: Über 1,37 Millionen Euro wurden für das Hohenhof-Projekt zur Verfügung gestellt, da es durch sein Konzept die Leitfrage der IGA 2027 „Wie wollen wir morgen LEBEN?“ beispielhaft verfolgte. Die entstandenen Mehrkosten wurden durch die Auswirkungen des Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine durch den Zuwendungsgeber berücksichtigt: Der Stadt Hagen liegt inzwischen der vierte Änderungsbescheid mit einer Fördersumme in Höhe von über 1,8 Millionen Euro vor.
Frühjahr 2022: Start der Rekonstruktion der Gartenanlage am Hohenhof
Die ersten vorbereitenden Arbeiten begannen bereits in den Monaten Januar und Februar 2022, sodass sich ab Mai 2022 die Garten- und Landschaftsbauarbeiten anschließen konnten. Die Ereignisse des am 24. Februar 2022 ausgebrochenen Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine, die daraufhin inflationär steigenden Preise und schließlich die sich stetig verknappenden Baumaterialien wie zum Beispiel Holz, verbunden mit längeren Lieferfristen und langanhaltend schlechtem Wetter, überschatteten die gesamte Bauzeit und führten schließlich neben einer Verteuerung des Umbaus auch zur Verzögerung der Fertigstellung der Bauarbeiten.
Noch im Frühjahr 2022 gingen die Beteiligten von einer Realisierung der vegetationstechnischen Arbeiten sowie der Pflanzarbeiten als letztes Gewerk bis Ende des Jahres 2022 aus. Durch die genannten Einflüsse können die letzten Restarbeiten erst in diesem Frühjahr abgeschlossen werden.Im Rahmen der Einweihung konnten die Gäste einen ersten Eindruck der umfangreichen Bauarbeiten erhalten.
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