von Bürger Christoph Rösner
Tja, liebe Leute, es ist mal wieder soweit. Eine neue Glosse aus der Rubrik: „Für so’n Scheiß haben wir hier keine Zeit.“
Wobei, so ganz stimmt das diesmal nicht. Denn bestimmte Leute in Hohenlimburg haben offensichtlich ganz viel Zeit, sich mit richtigem Scheiß zu beschäftigen.
Worum geht’s?
Im Gotenweg in Hohenlimburg soll ein vergrößerter LIDL-Markt entstehen. Gegen diese Pläne wehren sich die Einzelhändler – versammelt in der Werbegemeinschaft Hohenlimburg e.V. unter der Ägide einer sehr engagierten Frau, Maibritt Engelhardt.
Leider leidet diese engagierte Frau unter einem fürchterlichen Makel: sie kommt aus Bochum! Und das täglich! Muss man sich mal vorstellen – täglich von Bochum nach Hohenlimburg, nur wegen eines alteingesessenen Uhren- und Schmuckgeschäftes, das sie in der Innenstadt betreibt, das muss doch Spuren hinterlassen … sei’s drum, sie tut es trotzdem und reibt sich förmlich auf für die Belange der Hohenlimburger Einzelhändler. Und gut vernetzt und informiert ist sie auch noch!
Aber: seit kurzem hat Maibritt Engelhardt die Schnauze voll. Weswegen? Wegen LIDL? Nein. Wegen einer desaströsen Abstimmung in der Hohenlimburger Bezirksvertretung vor gut zwei Wochen. Dort haben sich die Hohenlimburger CDU, die Bürger für Hohenlimburg und Hagen Aktiv mehrheitlich für den Neubau und die Erweiterung ausgesprochen.
Dass ein aus Steuergeldern finanziertes und von den Hohenlimburger Bezirksvertretern beschlossenes Einzelhandelskonzept für Hagen existiert, welches den beiden Hohenlimburger Zentren „City“ und „Möllerstrasse“ (Elsey) Schutz gewähren und weitere Einzelhandlungsansiedlungen außerhalb dieser Zentren verhindern soll, soll hier nur am Rande Erwähnung finden.
Wer aber jetzt glaubt, „Schnauze voll“ bedeute, dass diese Zugereiste ihre Selbige jetzt auch endlich hält, der irrt gewaltig. Denn die an viele Verteiler versendete Email des Herrn Peter Leisten – seines Zeichens EHRENAMTLICHER! Fraktionssprecher der CDU in Hohenlimburg, brachte nicht nur Engelhardts Blut in Wallung.
Dieser Peter Leisten – er kann sich´s halt leisten… (kleines Wortspiel) hat sich am 12. Mai wohl vorgenommen, seine Beliebtheit in diesem entzückenden Städtchen bis ins Unermessliche zu steigern mit oben genannter Mail, in der es u.a. wie folgt heißt:
[…] … ich lasse mir von einer Bochumerin nicht sagen : „Allen anderen (CDU, BfHo und Hagen Aktiv) kaufe ich ein ernsthaftes Interesse am Fortbestand der Innenstadt nicht länger ab. Investoreninteressen sind offenbar wichtiger als historisch gewachsene Zentren und die Einhaltung bindender Konzepte zu deren Schutz.“ Die Unterstellung des Lobbyismus für Investoreninteressen ist beleidigend und grundsätzlich lass ich mich auch von keinem Bochumer über Hohenlimburger Belange belehren. Von Arnsbergern im übrigen auch nicht.“ […]
Schon erhellend, nicht? Wie solche ehrenamtlich Tätigen, aus Steuergeldern Aufwandsentschädigte sich äußern, nicht? Nicht nur arrogant, sondern auch noch falsch.
(Zur Verdeutlichung der gesamten Thematik kann unten sowohl die Mail des Herrn Leisten, als auch die kluge wie unaufgeregte Replik Maibritt Engelhardts nachgelesen werden).
Dass die Werbegemeinschaft Hohenlimburg ein eingetragener Verein ist – also Gewinne entsprechend reinvestieren muss – interessiert Peter Leisten nicht. Stattdessen behauptet er lieber das Gegenteil: Zitat:
[…] „Ich sehe uns nicht als instrumentalisierte Marionetten eines einzelnen ehemaligen Stadtteiles oder gar einer kommerziellen und gewinnorientierten Vereinigung wie etwa der Werbegemeinschaft einiger Einzelhandelsbetreiber in der Innenstadt. Wir arbeiten streng ehrenamtlich und im Interesse aller.“
Soviel ertragloses Ehrenamt wünscht Bürger sich eigentlich von seinen Politikern, aber, ach, lassen wir das … man fühlt sich halt auf der sicheren Seite mit dem Geburtsrecht und der Mehrheit in der Bezirksvertretung im Rücken. Da kann mal schon mal den Gutsherren raushängen lassen – wieso fällt mir gerade eine schwarze, verdörrte Hand ein? … Egal …
Wir konstatieren: Verraten und verkauft werden wir sowieso – nur, und das mildert die ganze Sache gottlob etwas ab – von ehrenamtlichen Funktionären, die auch einen originalen Hohenlimburger Stammbaum vorzuweisen haben. Wär´ja noch schöner! Und schlimm, wenn´s anders wäre.
Und die „Arnsberger“? Die werden diese Äußerungen des mit Lennewasser getauften Gutsherren wohl mit Freude und hoffentlich auch mit angemessenem Interesse zur Kenntnis nehmen.
Aber es gibt auch Positives zu vermelden: Nicole Pfefferer (GRÜNE) und Mark Krippner (SPD) haben gegen diesen desaströsen Beschluss gestimmt. Das lässt hoffen, nicht nur für Hohenlimburg. Denn hier scheint sich die erste Allianz der Vernunft in Hagens Geschichte zu formieren.
Ach, und noch etwas, da fällt mir gerade ein Gedicht in die Hände, das Francois Villon vor mehr als einen halben Jahrtausend gedichtet hat, ein angemessenes, wie zeitloses Gedicht, wie ich finde …
Die Ballade vom Appell Villons an das Parlament
Als man den Galgen mir hat zudiktiert,
da hab ich an den Reichstag appelliert.
Denn jedes Tier, das hier auf Erden kraucht,
hält seinen Kopf nicht zum Vergnügen still,
wenn ihm ein Bösewicht ans Leder will;
da wirst du ganz gehörig angefaucht.
Und ich, ich soll in diesem kalten
verfluchten Hundeloch die Schnauze halten?
Wär ich ein feiner Herr in Gold und Samt,
dann hätt mich kein Gericht zu der Tortur verdammt.
Ich habe oft für einen guten Witz
mich in den Dreck aufs Hinterteil gesetzt,
Doch wenn der Henker jetzt mein Fleisch zerfetzt,
mit Schrauben und mit Nadeln lang und spitz,
an Ketten, die mich in der Schwebe halten:
Soll ich da mäuschenstill die Schnauze halten?
Und hätte ich im Kopf nur Häcksel drin
und wär ich dümmer noch, als ich schon bin:
den Schädel soll man mir in Stücke haun,
wenn ich nicht mit dem letzten Atemzug
noch protestier, daß man mich grundlos schlug.
Und wenn der Henker winkt und wie ein Zaun
Soldaten ihre Eisenlanzen halten:
Soll ich da wie ein Stein die Schnauze halten?
Ihr seht: Ich habe nicht vorbeigezielt
mit meinem Wisch. Denn hätte ich verspielt,
wär schon ein Strauch aus meinem Bauch
herausgewachsen, oder Bitterlauch.
Drum soll man nie vor den Gewalten
der hohen Obrigkeit die Schnauze halten.
Auf einen neuen, schönen, erfolgreichen Tag im virulenten, lebendigen, lebensbejahenden Städtchen Hohenlimburg – und keine Angst: wir sind in allerbesten Händen!
Anhang: E-Mail von Peter Leisten und die Antwort von Maibritt Engelhardt
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