In Herdecke soll Kommunalbetrieb verscherbelt werden – In Gevelsberg gibt es Extrageld für Ratsmitglieder
„Ach, woanders is auch scheiße!“ zitierte einst der Bochumer Autor und Kabarettist Frank Goosen seinen Opa. So lässt sich aus Hagener Sicht auch beschreiben, was sich aktuell in den Nachbarorten Herdecke und Gevelsberg abspielt.
In Herdecke plant die Ratsmehrheit aus CDU, „Grünen“ und FDP, die Technischen Betriebe, die u.a. für Straßenreinigung, Müllabfuhr und Entwässerung zuständig sind, in eine „öffentlich-private Partnerschaft“ zu überführen. Das Vorhaben stößt bereits auf heftige Kritik aus der Bürgerschaft.
Bereits vor zwei Jahren wurde über einen Verkauf des Kanalnetzes debattiert, ein Modell, das schon in den Jahren des neoliberalen Rausches in anderen Kommunen gescheitert ist.
Konzerne wie Remondis, der auch am Hagener Energieversorger Enervie beteiligt ist, oder der Entsorger AHE, der in Hagen die gelben Säcke einsammelt und an dem ebenfalls Remondis beteiligt ist, scharren laut Presse bereits mit den Hufen.
Die Privatisierungsfreunde versprechen sich von der Einbindung privater Unternehmen die obligatorischen „Synergien“ und finanzielle Vorteile. Mit einer neuen Gesellschaft ließen sich „womöglich effektiver noch bessere Ergebnisse erzielen“ und Gebührenerhöhungen vermeiden. Ein frommer Wunsch, denn bei privatrechtlichen Unternehmensformen wird erst einmal Mehrwertsteuer in Höhe von 19 Prozent fällig, die die Bürger zusätzlich zu tragen haben.
Noch bessere Ergebnisse? Für 2023 weist der Wirtschaftsplan bei einem Umsatz von etwa 10 Millionen Euro einen Gewinn von fast einer Million aus, eine Umsatzrendite von 10 Prozent. Im Jahr 2021 betrug der Überschuss 966.000 Euro, obwohl bekanntlich mit Gebühren gar kein Gewinn erzielt werden darf.
Während die Entscheidungsträger in Herdecke also noch gescheiterten Modellen aus überwunden geglaubten Zeiten nachtrauern, ist Gevelsberg schon in der Neuzeit angekommen: Da wollen die Ratsmitglieder direkt abkassieren.
„Politiker genehmigen sich üppiges Weihnachtsgeld“ titelte die WP-Ausgabe des EN-Südkreises kurz vor Weihnachten (leider hinter der Bezahlschranke):
Ein steuerfinanziertes Weihnachtsgeschenk legen sich die Mitglieder des Gevelsberger Stadtrats auf Vorschlag der Verwaltung um Bürgermeister Claus Jacobi nun selbst unter den Tannenbaum. Wer will, bekommt mit der Zahlung der ersten Aufwandsentschädigung im neuen Jahr 600 Euro zusätzlich überwiesen.
Offiziell bekommen die Politikerinnen und Politiker das Geld, um zukünftig digital anstatt auf Papier das politische Ehrenamt wahrzunehmen. Unterm Strich müssen sie dieses Geld aber nicht zweckgebunden für Tablets oder andere digitale Endgeräte einsetzen und sichern diesen Fall gleich schriftlich mit ab. (…)
Den Einstieg in die Welt der Tablets gibt es übrigens für unter 100 Euro pro Gerät. Nagelneue iPads – Apple-Produkte aus dem Premiumsegment – gibt es zwischen 300 und 500 Euro pro Gerät. Teurer geht es natürlich immer. (…)
Auf Verwendungsnachweise, die die Politikerinnen und Politiker für das Geld zur digitalen Unterstützung erbringen müssen – beispielsweise Rechnungen einer Tablet-Wartung oder Kaufbelege – verzichtet die Stadt Gevelsberg. (…)
Einstimmig hoben die politischen Vertreterinnen und Vertreter der Gevelsberger Bürger in der Sitzung des Stadtrats am 7. Dezember die Hände, um sich von ihren Wählern dieses Weihnachtsgeschenk bezahlen zu lassen.
Der Redaktionsleiter der WP-Ausgabe EN-Südkreis, Stefan Scherer, brachte es in seinem Kommentar (auch hinter der Bezahlschranke) auf den Punkt:
Jeder Cent Steuergeld, der ohne Gegenleistung auf privaten Konten landet, ist eine weiterer Diebstahl am Bürger. (…)
Die Frage, warum nicht einfach jedes Ratsmitglied seine Quittungen über Kauf und Wartung bei der Stadt einreichen und pro Wahlperiode maximal 600 Euro zweckgebunden abrechnen kann, bleibt leider von allen Seiten unbeantwortet.
Es ist ohnehin so, dass – vielleicht mit Ausnahme von Fußballtrainern – kein anderes Ehrenamt derart vergoldet wird, wie das der Politik. (…)
Nach der selbstverordneten Feiertagspause meldeten sich die Protagonisten der Selbstbedienung zu Wort. Aber nicht etwa, um eigene Fehler einzuräumen, wie die Zeitung berichtet:
„Polemisch“, nennt beispielsweise Grünen-Ratsmitglied Achim Oldenbüttel die Berichterstattung und sagt: „Wir haben dafür gestimmt, damit das Thema Digitalisierung endlich vorankommt.“ Und warum dann diese Art der Finanzierung, ohne dass die öffentlichen Gelder zweckgebunden verwendet werden müssen?
Antwort des Grünen-Politikers: „Die Stadt spart ja durch die wegfallenden Kosten in etwa in gleichem Umfang.“ Dieses Geld wird allerdings in Schwelm auch eingespart, ohne dass es auf der Ausgabenseite für die Lokalpolitik wieder auftaucht. (…)
Diese Sichtweise der Grünen teilt auch die SPD. (…)
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