Transparenz? Nein danke!

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Hagener Politik lehnt Rats-TV einstimmig ab

In einem Punkt sind sich Verwaltungsspitze und Rathaus-Politiker (inklusive Innen) einig: Bloß nicht mehr Transparenz!

Konsequent lehnte der Haupt- und Finanzausschuss (HFA) als coronabedingter Ratsersatz am Donnerstag die Einrichtung eines Rats-TVs einstimmig ab. FDP, Bürger für Hohenlimburg (BfHo) und UnLinke nahmen an der Abstimmung nicht teil.

Was bei den Hentschelianern nicht verwundert – die UnLinke hatte schon früher gegen Rats-TV gestimmt – erstaunt bei den Vertretern der beiden anderen Ratsgruppen. Hatten FDP und BfHo doch in der Vergangenheit mit entsprechenden Anträgen das Thema erst auf die Tagesordnung gesetzt.

Bereits im November 2012 schrieb die FDP in ihren damaligen Antrag zum Rats-TV: „Durch die Übertragung der Sitzungen in das Internet werden der Sitzungsablauf und die Entscheidungsprozesse für einen größeren Personenkreis nachvollziehbar gemacht. Die Transparenz der kommunalen Selbstverwaltung der Stadt Hagen wird erhöht.“

Einen entsprechenden Prüfauftrag wusste die Verwaltung zu nutzen, um eine mehrheitliche Ablehnung des Rats-TVs zu provozieren. Eine Umsetzung sei als „freiwillige Leistung“ nicht mit dem Haushaltssicherungsplan und der Haushaltssituation der Stadt Hagen vereinbar. Dabei ging es um gerade einmal ca. 1.000 Euro pro Sitzung, die die vier angefragten Firmen in ihren Angeboten genannt hatten.

Der Rat folgte der ablehnenden Empfehlung der Verwaltung bei 3 Nein-Stimmen und einer Enthaltung aus den Reihen der CDU-Fraktion, nur die FDP-Fraktion stimmte geschlossen dagegen (4 Stimmen). Damit war der Schritt zu mehr Transparenz erst einmal abgewendet.

Im Mai letzten Jahres griff die Fraktion BfHo/Piraten das Thema wieder auf und stellte erneut einen Prüfungsauftrag. Die Verwaltung hatte danach mehrere Monate Zeit, ihre Abwehr strategisch zu verfeinern und auszubauen. Neben den angeblich zu hohen Kosten (die auch sieben Jahre nach dem ersten Antrag nicht wesentlich höher lagen) wurden weitere Hindernisse aufgebaut: Organisation, Technik und Datenschutz. Das alles stehe in keinem „angemessenen Verhältnis zu der Nutzung des Dienstes“ durch die Bürger.

Und es funktionierte im zweiten Anlauf noch besser als 2013: Der neuerliche Versuch, mehr Transparenz herzustellen, wurde vom HFA am Donnerstag wiederum abgelehnt – diesmal sogar einstimmig.

Nur 30 Kilometer weiter westlich herrscht offensichtlich ein anderes Klima und ein anderer Begriff von Transparenz: in Wuppertal.

Dort beschloss der Hauptausschuss nach einer Pilotphase 2013 einstimmig (!) die dauerhafte Einführung des Rats-TVs, der Rat bestätigte den Beschluss im Juni 2014 unverändert. Schon die Wuppertaler Verwaltungsvorlage ist nicht, wie in Hagen, auf Abwehr ausgelegt, sondern betont die Vorteile eines bürgerfreundlichen Verhaltens:

Insgesamt kann festgehalten werden, dass sich die Übertragung der Ratssitzungen im Internet bewährt hat, weil dadurch eine Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern, die bisher möglicherweise keine Ratssitzung besucht hätten, erreicht werden konnte. (…)

Darüber hinaus ergeben sich aufgrund der Bereitstellung der Aufzeichnungen neue Recherchemöglichkeiten.

Es wird damit ein Instrument bereitgestellt, das den Bürgerinnen und Bürgern die Möglichkeit gibt, ohne großen Aufwand die Ratssitzungen live zu verfolgen bzw. sie zu jedem beliebigen Zeitpunkt abzurufen. Dies ist ein zusätzliches Serviceangebot für die Bürgerinnen und Bürger; zudem wird die Ratsarbeit insgesamt transparenter und das Interesse für kommunale Themen und Entscheidungsprozesse kann mit diesem Instrument gesteigert werden.

Dies stärkt auch die Demokratie vor Ort und die zunehmend gewünschte verstärkte Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger!

Für Hagener Apparatschiks sind das fremde Welten.

2 Antworten to “Transparenz? Nein danke!”

  1. Klaus Rosenberg Says:

    Der Gesetzgeber verlangt die Herstellung der Öffentlichkeit zu Sitzungen z.B. des Rates der Stadt. Wie die einzelnen Städte dies umsetzen ist deren Sache. Das Verlangen nach digitalen Übertragungen aus Ratssitzungen ist nur allzu verständlich. Es soll hier auch nicht auf die umfangreichen Argumente der Verwaltung gegen diese Möglichkeit eingegangen werden. Täte man dies, würden alle vorgetragenen Argumente entkräftet werden. Nur zwei Beispiele: Nach Auskunft der Verwaltung wurden andere Städte, die ein Rats TV haben zum Vergleich herangezogen. Und wie kann es anders sein, natürlich alles negativ. Und positives wie aus Wuppertal, kennt man oder will man offenbar nicht wahrhaben.
    Auch die angeblichen Kosten sind der Verwaltung offenbar zu hoch. So sollen die Kosten für eine Sitzungsübertragung ca. 1.600,00 € betragen. Bei 12 Ratssitzung im Jahr also 19.200,00 €. Wenn jede BV aus ihren bezirksbezogenen Mitteln 3.840,00 € zur Verfügung stellen würde, hätte man die Kosten drin.
    Leider kommt es auch schon mal vor, dass Beschlüsse des Rates in den anschließenden Niederschriften verändert werden. So geschehen z.B. in der Angelegenheit „Verkehrsschild am Tücking“. In der Regel sind die Niederschriften zwar ok. aber Ausnahmen bestätigen die Regel. Hätte man nun ein „Rats-TV“, könnten Beschlüsse nachvollzogen werden.
    Aber nein, die Verwaltung tut alles, um Transparenz zu verhindern.

  2. Umleitung: Neonazis, Pandemie, Berliner Unterwelt, Mitternachtsspitzen und Lokales vom Niederrhein über Hagen zum Hochsauerland | zoom Says:

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