Geplanter Einbahnstraßenring kann akute Hagener Luftprobleme nicht lösen
Durch größeren Einfallsreichtum sind unsere Hagener Politikgrößen in der Vergangenheit nicht besonders aufgefallen. Jetzt aber, wo es um die Verhinderung von Fahreinschränkungen für Dieselfahrzeuge geht, entfalten sie eine ungeheuere Kreativität.
Mooswände und Riesenventilatoren sollen angeblich für eine Verbesserung der Luftverhältnisse sorgen. Ergänzend werden von den Lobbygruppen der Wirtschaft Horrorszenarien aufgebaut, nach denen Handwerker angeblich nicht mehr in Sperrzonen einfahren dürfen. Die CDU zweifelte zuletzt die rechtmäßige Platzierung der Messstationen an. Alles Kokolores.
Das maßgebende Urteil des Bundesverwaltungsgerichts lässt ausdrücklich Ausnahmen für Anlieger und Versorger zu, und die Vermutung unzulässiger Standorte der Messpunkte hat sich, wie zu erwarten war, als gegenstandslos herausgestellt. Der plötzliche Aktionismus der Interessengruppen soll nur davon ablenken, dass die Entscheidungsträger in Politik und Verwaltung acht Jahre lang geglaubt haben, geltendes Recht durch simple Nichtbeachtung außer Kraft setzten zu können.
Das hat sich voraussehbar als Fehlspekulation erwiesen, aber offensichtlich herrscht in diesen Kreisen auch nach diversen Folgeurteilen der Glaube vor, das Problem weiter aussitzen zu können. Während alle bisher ergangenen Entscheidungen der Gerichtsbarkeit auf eine möglichst umgehende Verbesserung der Luftqualität abzielen, sollen solche Maßnahmen in Hagen allem Anschein nach weiter auf die lange Bank geschoben werden. Zum Nachteil aller Bürger, die unter den schlechten Luftverhältnissen leiden.
In diesen Kontext passt auch der jüngste Vorschlag der Hagener Stadtverwaltung, der am kommenden Dienstag (30.10.2018) im Ausschuss für Umwelt und Mobilität beschlossen werden soll.
Die Verwaltung strebt einen „Umbau des Innenstadtringes in ein Einbahnstraßensystem“ an und erwartet, diese Maßnahme „prioritär zu behandeln“.
Diese sehr umfangreiche Maßnahme erscheint aus Sicht der Fachverwaltung als eine derjenigen Maßnahmen, die tatsächlich einen sehr hohen Wirkungsgrad haben. Allerdings mit einer wesentlichen Einschränkung: „Wegen des enormen planerischen und letztlich auch bautechnischen Umfanges der Maßnahme werden allerdings hier keine kurzfristigen Ergebnisse zu erwarten sein.“ Allein für die Planung rechnet die Verwaltung mit einem Zeitraum von mindestens zwei Jahren.
Also genau das Gegenteil aller bisher in der Sache ergangenen Urteile, die eben „kurzfristige Ergebnisse“ verlangen, da die einschlägigen Grenzwerte bereits seit 2010 missachtet werden.
Selbst der umstrittene „Masterplan Mobilität“, der vor der Sommerpause vom Stadtrat im Schweinsgalopp verabschiedet wurde und auf den sich die Verwaltung jetzt beruft, sieht die Umwandlung des Innenstadtrings in eine Einbahnstraße kritisch, den „hohen Wirkungsgrad“, von dem die Verwaltung spricht, sucht man dort vergebens:
„Zu beachten ist aber, dass der Verkehr lediglich von den betroffenen Verkehrswegen verdrängt wird. Eine Verkehrsvermeidung kann durch eine solche Maßnahme nicht erzielt werden. Negativ auswirken werden sich in jedem Fall die teilweise enorm verlängerten Wege durch die Stadt Hagen, welche auch die Verdrängungen auf die umliegenden Straßen bewirken. Da der Innenstadtring nur noch in eine Richtung befahren werden kann, werden die Wege entweder länger oder die Verkehrsteilnehmer weichen auf Nebenstraßen aus.“
Zwar prognostizieren die Gutachter eine Verminderung der Feinstaub- und NOx-Emissionen an den vorhandenen Messstellen Graf-von-Galen-Ring und Finanzamt, aber diese Voraussagen sind rein spekulativ, wie sie selbst einräumen:
„Bei qualitativen Bewertungen lagen keine Erkenntnisse in Form von Zahlen vor, somit wurden die Wirkungen der Maßnahmen aus diesen Steckbriefen rein qualitativ von den Experten in einem internen Workshop eingeschätzt.“
Und: „Bei einer quantitativen Abschätzung erfolgte, wenn die Daten vorlagen oder sinnvoll angenommen werden konnten, eine Abschätzung mit der Angabe von Zahlenwerten. Diese Zahlenwerte bilden aber eine reine Abschätzung mit vielen Annahmen und unbekannten Einflüssen und sollten nicht zur Kontrolle der Maßnahme herangezogen werden.“
Darauf basiert zusammengefasst die Beschlussempfehlung der Verwaltung an den Ausschuss: Keine Erkenntnisse, Abschätzungen, Annahmen und unbekannte Einflüsse.
Realistisch im Sinne einer Absenkung der Emissionen wäre wohl nur eine zweistreifige Variante der Einbahnlösung. Die böte den erforderlichen Platz für gegenläufige Busspuren, Radwege, geräumige Gehwege und Baumalleen. Alles Dinge, denen die entscheidenden Gremien in der Vergangenheit eher weniger zugetan waren.
Um die Belastung der Atemluft kurzfristig zu vermindern, wie es die einschlägigen Urteile fordern, ist der Vorschlag der Verwaltung ungeeignet. Mittelfristig wäre die Zweispurlösung – und nur die – immerhin eines: Der Einstieg in eine andere Nutzung des öffentlichen Raums – weg von der Autozentriertheit und hin zu einer gerechteren Verteilung und umweltschonenderen Nutzung der nicht vermehrbaren Ressourse Boden.
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