Wie die Hagener Grünen auf eine Falschmeldung (nicht) reagieren
„Nichts ist so alt wie die Zeitung von gestern“, lautet ein bekanntes Sprichwort. Das hiesige Einheitsblatt setzte noch einen drauf. Es skandalisierte eine simple Anfrage der Grünen im Hagener Rat, die bereits zwei Monate zurücklag. Und denen fallen dazu (nur) Fußballweisheiten ein.
Am Dienstag erschien in der WPWR ein Artikel, der in der Überschrift fälschlicherweise behauptete: „Grüne in Hagen stellen die Kunstrasenplätze in Frage“. In einem weiteren Beitrag im Sportteil des Blattes wurde dieses Märchen wiederholt: „Dass die Hagener Grünen auf der Grundlage von Spiegel-Recherchen die Umweltverträglichkeit der Hagener Kunstrasenplätze infrage stellen , sorgt für unterschiedlichste Reaktionen in der heimischen Fußball-Szene.“
Das rief nicht nur, wie zu erwarten war, die „Fußball-Szene“ und einschlägige Kommentatoren in den asozialen Medien auf den Plan. Selbst Mitglieder der Hagener Grünen ließen sich von den Formulierungskünsten des WPWR-Schreibers Mike Fiebig in die Irre leiten.
So fragte sich ein Mitglied der grünen Ortsgruppe Hohenlimburg „ernsthaft, haben die Grünen in HA nicht besseres zu tun? Gibt es nicht genügend tiefgrüne Themen, die in HA ihrer Bearbeitung harren? Ist es Hans-Georg Panzers vorrangige Aufgabe, den Spiegel zu lesen bzw die Forschungsergebnisse des Fraunhofer-Instituts nach HA zu importieren, um hier als Grüner von sich reden zu machen?“
Der Zeitungsbeitrag hatte also seine (beabsichtigte?) Wirkung nicht verfehlt. Stolz verkündete sein Autor zwei Tage später: „Die Hagener Kunstrasen-Diskussion schlägt deutschlandweit Wellen.“ Auch diese Behauptung dürfte in erster Linie der Phantasie des Schreibers entsprungen sein – die Suchmaschinen im Internet geben jedenfalls nichts her. Man erscheint halt gerne größer als man ist.
Was hier den Eindruck von Aktualität erweckt, greift in Wahrheit auf eine Anfrage zurück, die bereits vor mehr als zwei Monaten im Hagener Rat gestellt wurde. Das Protokoll der Sitzung vom 15.11.2018 vermerkt:
„Herr Panzer (Anm.: Mitglied der grünen Fraktion) möchte daher wissen, wie oft und mit welchen Materialien wird die Einstreu der Kunstrasenplätze erneuert, aus welchen Materialien besteht das in Hagen für die Einstreu benutzte Granulat, welche Mengen werden regelmäßig davon benötigt, in welchen Abständen werden die Beläge erneuert, welches Gewicht haben die zu entsorgenden Beläge und wie werden diese entsorgt.“
Vorher hatte Panzer einen Bericht des Nachrichtenmagazins Der Spiegel erwähnt, der Belastungen der Umwelt durch Kunstrasen mit Verweis auf Untersuchungsergebnisse des Fraunhofer-Instituts problematisiert hatte. Ein Infragestellen dieser Sportplatzbeläge lässt sich allerdings selbst bei größtem Interpretationswillen in die Anfrage nicht hineindeuten.
Bereits eine Woche zuvor hatten auch die Grünen im Sportausschuss sogar dem Bau weiterer Kunstrasenflächen zugestimmt.
Das bereits erwähnte Hohenlimburger Grünen-Mitglied stellte noch eine weitere Frage: „Ist es tatsächlich so, dass meine Partei die kommenden Kommunalwahlen partout verlieren will?“ Die könnte durchaus mit einem Ja beantwortet werden, betrachtet man die Reaktion bzw. Nicht-Reaktion auf die Art der „Berichterstattung“.
Die grüne Fraktion hat bis jetzt öffentlich keine Stellung zu dieser windigen Zeitungsente genommen, geschweige denn dagegen protestiert oder eine Gegendarstellung veranlasst. Offenbar ziehen die Fraktionäre es vor, den Schwanz einzuziehen, weil man glaubt, es sich mit dem Monopolblatt nicht verderben zu dürfen.
Erstere Aufgabe übernahm inzwischen der Kreisverband der Partei, der aber die Falschmeldung ebenfalls mit keinem Wort erwähnt und stattdessen eine „Diskussion um Kunstrasenplätze“ sieht: „Erfreut stellen wir fest, dass die neuen Beläge die Sportlerinnen und Sportler wetterunabhängiger machen und die Plätze dadurch häufiger und besser genutzt werden.“
Auch die Kreispartei kuscht also vor den Verbreitern der Fake News. Die Fragen der Ratsfraktion spielen konsequenterweise keine große Rolle mehr. Im Gegenteil.
Generell hätten Materialien und deren Verarbeitung ihre jeweilige Konjunktur, meint der Kreisvorstand. „Hätten wir vergleichsweise dem Luftreifen beim Automobil oder beim Fahrrad nicht unser Vertrauen geschenkt“, zieht Christa Stiller-Ludwig eine Parallele, „würden wir heute vielleicht noch auf Metall- oder Holzreifen rollen.“
Für die Sprecherin eines grünen Kreisverbands eine gewagte Aussage, gilt doch der Abrieb von Autoreifen als eine – wenn nicht sogar die wichtigste – Quelle für die Feinstaubbelastung in den Städten. Aber das wird alles zur Nebensache, wenn man mal mit dem 2003 verstorbenen ehemaligen Fußball-Nationalspieler Lothar Emmerich („Gib mich die Kirsche!“) zusammen gekickt hat. Wie – nach eigenen Angaben – der grüne Kreissprecher Rolf L. Willaredt.
„Was hätte Lothar Emmerich zu dieser Debatte beigetragen“, fragt sich Willaredt und hat auch eine Antwort parat: „Er hätte auch den Kunstrasen akzeptiert, wenn dieser seine Torerfolge weiter garantiert hätte.“
Fragt sich nur, was die Hagener Grünen noch alles akzeptieren wollen. Und wo dann noch der Wahlerfolg herkommen soll. Aus dem Pressehaus bestimmt nicht, und Lothar Emmerich guckt sich die Kirschen schon lange von unten an.
Drucken, Mailen, Facebook, Twitter:
Gefällt mir:
Gefällt mir Wird geladen …