Die CDU-Bundestagsabgeordnete Cemile Giousouf hat ihr Hagener Wahlkreisbüro in der hiesigen Parteizentrale der Christdemokraten an der Hochstraße eröffnet. Als Büroleiter stellte sie den atomkraftaffinen Dr. Anselm Tiggemann aus Köln vor.
Der Stipendiat der unionsnahen Konrad-Adenauer-Stiftung, Jahrgang 1970, studierte Neuere und Mittlere Geschichte, Politische Wissenschaften und Philosophie in Köln, Bonn und Bielefeld. 2003 wurde er an der Universität Dortmund zum Dr. phil. promoviert.
Thema seiner vom Atomkraftwerksbetreiber PreussenElektra (heute: E.ON) finanzierten Dissertation: Die „Achillesferse“ der Kernenergie in der Bundesrepublik Deutschland. Zur Kernenergiekontroverse und Geschichte der nuklearen Entsorgung von den Anfängen bis Gorleben 1955 bis 1985.
Als „durchschaubaren Versuch, Gorleben gesundzubeten“ bezeichnete die grüne Landtagsabgeordnete Miriam Staudte im Mai 2010 die Ausführungen des Historikers (und Mitarbeiters der CDU-Fraktion in NRW), der im Umweltministerium in Hannover im Beisein des damaligen Umweltministers Sander zur Standortbenennung Gorlebens referierte.
Tiggemann nannte den Prozess der Standortauswahl zunächst „sachgerecht“, musste auf Nachfrage seine Aussagen jedoch mehrmals relativieren. So räumte er ein, dass der Auswahlprozess lediglich für die Auswahl als Nukleares Entsorgungszentrum mit Wiederaufarbeitungsanlage als „sachgerecht“ bezeichnet werden könnte, nicht was die Suche nach einem Endlager angehe.
Die Abgeordnete Staudte qualifizierte den Tiggemann-Beitrag als „Gefälligkeits-Expertise“ ab, die ihre Wirkung verfehlt habe. Auch Greenpeace stufte seine Äußerungen als „beschönigend und manipulativ“ ein.
Im Oktober des gleichen Jahres pries Tiggemann in atw, dem Zentralorgan der deutschen Atomwirtschaft, Gorleben weiterhin als „Entsorgungsstandort auf der Grundlage eines sachgerechten Auswahlverfahrens“.
Ebenfalls im Oktober 2010 wurde Tiggemann vom Gorleben-Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestages vernommen. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen berichtete:
Am Nachmittag wurde Dr. Anselm Tiggemann vernommen, der in einer Expertise im Auftrag des niedersächsischen Umweltministeriums vom Mai 2010 versucht, die Auswahl des Endlagerstandortes Gorlebens zu legitimieren. Die Koalitionsfraktion versuchten das in der Befragung zu bestätigen – sie sind damit auf ganzer Linie gescheitert. Die Vernehmung machte zahlreiche Widersprüche in Dr. Tiggemanns Arbeiten deutlich und verstärkte bestehende Zweifel an der wissenschaftlichen Nachvollziehbarkeit seiner Schlussfolgerungen. (…)
Auch musste Dr. Tiggemann einräumen, dass die für seine Argumentation zentrale Nachbewertung der KEWA (Kernbrennstoffwiederaufbereitungsgesellschaft) zur Standortauswahl gar nicht vollständig vorliegt. Er selbst konnte nur Fragmente der Studie einsehen. (…)
Dr. Tiggemann konnte keine Angaben über den genauen Ablauf und die Kriterien der Nachbewertung machen, da auch ihm die vollständigen Unterlagen nicht vorlagen. Trotz allem kommt er am Ende zu der Einschätzung, Gorleben sei in einem transparenten und nachvollziehbaren Verfahren und allein aus sachlichen Gründen ausgewählt worden.
Auf diesen Widerspruch zwischen den benannten Fakten und seiner Bewertung angesprochen, sagte er, das sei halt seine Bewertung als Wissenschaftler. Auf welchen Quellen und Methoden diese Bewertungen im Detail beruhen, konnte Dr. Tiggemann nicht darlegen. Er betonte selbst, dass es bedauerlich sei, dass wichtige Quellen nur in Fragmenten vorlägen. Trotz der eindeutig eingeschränkten Quellenlage, sieht der Historiker seine Bewertung als aussagekräftig an. Auf die Frage, ob man aufgrund der Quellenlage auch zu einer anderen Bewertung kommen könne, mochte er aber nicht antworten.
Auch schließt Dr. Tiggemann eine politische Instrumentalisierung seiner Arbeit durch den Auftraggeber seiner Expertise, das niedersächsische Landesministerium für Umwelt, ebenso aus wie durch seinen aktuellen Arbeitgeber die CDU/CSU Bundestagsfraktion oder den Finanzier seiner Dissertation Atomkraftwerkbetreiber Preussen Elektra, heute EON. Er sei sich sicher, dass diese nur ein Aufklärungsinteresse gehabt und keine bestimmte Interpretation der Quellen erwartet hätten. Während Herr Dr. Tiggemann für sich selber reklamiert, seine Einschätzung sei frei von jedweder Interessenleitung, unterstellt er ganz im Sinne seiner Auftraggeber anderen, die die Dokumente analysieren Voreingenommenheit. Ihre Einschätzungen würden nur deshalb deutlich von seinen abweichen, weil sie durch klare Interessen geleitet seien.