Wählervereinigung mit ungeklärtem Verhältnis zur Kunst
HAGEN AKTIV hatte schon immer ein ambivalentes Verhältnis zur Bildenden Kunst und vor allem zu den zugehörigen Museen. Jetzt hat die Wählervereinigung plötzlich entdeckt: es gibt ein Gemälde gleich zweimal. Dabei ist diese Erkenntnis ein alter Hut.
Jahrzehntelang hing „Der Auserwählte“, ein Werk des Schweizer Künstlers Ferdinand Hodler, in der Eingangshalle des Karl-Ernst-Osthaus-Museums. Nach der Restaurierung des Osthaus-Wohnsitzes Hohenhof wurde es dort wieder an seinen ursprünglichen Ort verbracht, einen Raum, den Osthaus seinerzeit extra für das Gemälde hatte einrichten lassen.
Im Rahmen der von Oberbürgermeister Jörg Dehm vorangetriebenen Kürzungspolitik stand „Der Auserwählte“ plötzlich wieder auf die Tagesordnung. Im Dezember 2011 überraschte Dehm die Fraktionsvorsitzenden der im Hagener Rat vertretenen Parteien mit der Nachricht, ihm läge ein Angebot des Auktionshauses Christie’s vor, das davon ausging, bei einer Veräußerung seien 10 Millionen Euro zu erzielen. Ein gefundenes Fressen für den Oberkürzungsmeister.
Durch die überregionale Presse fegte daraufhin ein Sturm der Entrüstung. Ein Beitrag in der Süddeutschen Zeitung bewertete allein die Überlegung als „kriminell“. Wohl durch dieses Echo aufgeschreckt, ruderte Dehm zurück und das Thema verschwand wieder von der öffentlichen Bildfläche. Bis jetzt.
Ein Beitrag im Newsletter von HAGEN AKTIV kehrt nun das Hodler-Bild wieder hervor. Dort ist von einer „überraschenden Wende“ die Rede: „Das Original des Bildes war wohl nie in Hagen.“ Um das vermeintliche Übel festzustellen, machte sich der Sachkundige Bürger Walter Arndt, der HAGEN AKTIV im Kultur- und Weiterbildungsausschuss vertritt, laut Aktivpunkte sogar die „Mühe“, in die Schweiz zu reisen, obwohl man das „ganz einfach auf den Internetseiten des Schweizer Kunstmuseums“ in Bern „nachlesen“ könne.
Die „Mühe“ hätte sich der Vertreter der Wählervereinigung also sparen können, und um eine „überraschende Wende“ handelt es sich auch nicht. Die Fakten sind seit langem bekannt: Hodler hat das Bild zweimal gemalt. So kann der interessierte Mitmensch im Standardwerk „Karl Ernst Osthaus“ (Autoren: Herta Hesse-Frielinghaus et al., 1971) nachlesen: „Da bekanntlich das Berner Kunstmuseum das gleiche Bild besitzt, haben sich in der Kunstwissenschaft viele Fragen hinsichtlich des Verhältnisses der beiden Gemälde zueinander ergeben.“ Auch dem Auktionshaus Christie’s dürfte das alles mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bekannt gewesen sein, bevor es eine Summe in die Welt setzte.
Die Tatsache, dass das Werk Hodlers gleich zweimal existiert, gibt für eine Skandalisierung also nichts her – und ist kein Einzelfall in der Kunstgeschichte. Schon Walter Benjamin stellte in seiner Schrift „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ im Jahre 1936 fest: „Das Kunstwerk ist grundsätzlich immer reproduzierbar gewesen“ und weist dabei zurück bis in die Antike.
Den „Aktiven“ hätte es gut zu Gesicht gestanden, sich ein wenig schlau zu machen, bevor sie sich so weit aus dem Fenster lehnen. Die Wählervereinigung ist immerhin – neben den GRÜNEN – die einzige ernstzunehmende oppositionelle Gruppierung im Hagener Rat. Sie hat aber offensichtlich ein etwas verkrampftes Verhältnis zur Bildenden Kunst in dieser Stadt.
So schwingt bei aller berechtigten Kritik an der mangelhaften technischen Umsetzung des Emil-Schumacher-Museums im Subtext immer auch eine gewisse Aversion gegen die Kunst an sich mit. Da wird angeblich dem Hagener Ehrenbürger ein „monströses Schumacherdenkmal“ gebaut, da redet der Fraktionsvorsitzende Dr. Josef Bücker von einer „Museumsinsel für Einfaltspinsel“ oder man fordert gleich „Zum Kuckuck mit dem Schumachermuseum“.
Das ist alles wenig zielführend für eine Opposition, die darauf hinwirken sollte, den weiteren – auch kulturellen! – Abbruch in Hagen zu verhindern. Vielleicht bieten ja die Sommerferien Gelegenheit dazu, sich einmal etwas intensiver auch mit dieser Materie zu beschäftigen.
Opposition ist angesichts der Hagener Verhältnisse dringender denn je – qualifizierte, keine populistische.
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