Kämmerer Christoph Gerbersmann bringt den Haushalt ein
Hätte er doch seinen Beitrag zur Abwechselung einmal von hinten aufgezäumt. Dort finden sich immerhin einige Hinweise auf die (Haupt-)Ursachen der Schuldenproblematik der Stadt Hagen. Aber dazu fehlte Christoph Gerbersmann offensichtlich der Mumm.
Stattdessen gefiel sich Hagens oberster Finanzverwalter wieder einmal darin, vorrangig Kürzungsfantasien zum besten zu geben. Sein Mantra: „Wir“ geben zu viel Geld aus, „wir“ leben über unsere Verhältnisse, andere „sparen“ viel mehr. Momentaufnahmen aus der Rede des Stadtkämmerers zur Einbringung des Haushalts 2014/2015.
Zur Einstimmung liest Gerbersmann dem Publikum erst einmal die Leviten:
Hatte ich doch bereits im letzten Jahr den Eindruck, dass der Ernst der Lage noch nicht bei Allen in Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung angekommen ist. Daran hat sich offenbar bis heute nicht viel geändert! Nahezu jeder Sparvorschlag wird nach wie vor mit großem öffentlichen Wehklagen begleitet, Alternativvorschläge weiterhin meist Fehlanzeige!
Begleitet wird die Standpauke mit einem Histörchen aus dem Leben eines Kämmerers:
Aber dann bekam ich von einem Mitarbeiter unserer Verwaltung eine antike Postkarte geschenkt, auf der 12 Herren in einem Badetümpel zu sehen sind. Und es soll nun niemand sagen, die Mitarbeiter der Verwaltung seien nicht kreativ – denn überschrieben ist die Postkarte mit den Worten: „Das Wasser steht uns bis zum Hals, aber seine Qualität ist ausgezeichnet.“ Dieser Satz beschreibt unsere Lage – so glaube ich – doch in mehrfacher Hinsicht sehr treffend.
Zum Einen steht uns das Wasser finanziell tatsächlich bis zum Hals. (…) Zum Anderen beschreibt der zweite Teil des Satzes sehr treffend die von mir bereits im letzten Jahr kritisierte Haltung in Teilen von Öffentlichkeit, Politik und Verwaltung. Einige haben sich offenbar mit der misslichen Lage abgefunden, frei nach dem Motto: Es ist noch immer gut gegangen! Es ist ja alles nicht so schlimm und wird schon so weitergehen.
Loriots Sketchfigur Müller-Lüdenscheid lässt grüßen: „Ich lasse jetzt die Ente zu Wasser.“
Anschließend geht es weiter voran gegen die Kritiker der verordneten Kürzungen:
Der „Untergang des Abendlandes“ wird beschworen, obwohl doch nur Leistungen abgebaut werden sollen, die es in Hagen z.T. erst seit wenigen Jahren gibt bzw. die es in anderen Städten nie gab. Und trotzdem fühlen sich die Menschen seltsamer Weise in diesen Städten wohl. Und meckern – auch dieser Hinweis sei an dieser Stelle erlaubt – oft weniger über ihre Stadt!
Um welche anderen Städte es sich handelt, erwähnt der Herr Kämmerer nicht, ebenso wenig woher er die Erkenntnis über das Wohlfühlempfinden der dort wohnenden Menschen gewinnt.
Garniert wird der Vortrag mit Durchhalteparolen:
Ich bin allerdings davon überzeugt, dass Hagen auch nach der Umsetzung des nun vorgelegten Entwurfes für einen neuen Haushaltssanierungsplan insgesamt eine lebens- und liebenswerte Stadt bleibt. Die Stadt Hagen leistet dann immer noch mehr für ihre Bürgerinnen und Bürger, als viele andere Städte in unserer Größenordnung es tun.
Auch hier bleiben Nachweise oder Beispiele aus.
Zur Bekräftigung des von der Verwaltung vorgeschlagenen weiteren Kürzungspfades wird gleich an zwei Stellen der Rede der landeseigene „Sparkommissar“ aufgeboten, der bekanntlich im Eifelstädtchen Nideggen seiner Tätigkeit nachgeht. Nur: als Schreckgespenst kann der nicht mehr so richtig herhalten, erledigt der Stadtrat die Drecksarbeit doch auch selbst ganz gut.
Nach einer umfangreichen Darstellung der aktuellen Finanzlage und Präsentation des erneuten Kürzungsprogramms erlaubt sich Christoph Gerbersmann zum Schluss dann doch noch einige kritische Anmerkungen zur Kommunalfinanzierung:
1. Die Kommunen werden durch Bund und Land nicht ausreichend finanziert!
Das Gutachten der Professoren Lenk und Junkernheinrich hat dies für die Städte und Gemeinden in NRW eindrucksvoll belegt. Ich kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen in Bund und Land sich bei den notwendigen Entlastungen doch noch an den dort genannten Finanzbedarfen orientieren. Ohne eine zusätzliche Hilfe von Bund und Land wird eine nachhaltige Konsolidierung auch in Hagen nicht möglich sein! (…)
2. Das Stärkungspaktgesetz ist keine ausreichende Grundlage für eine nachhaltige Konsolidierung der Kommunen in NRW!
Dies sage ich mit allem Nachdruck. Insgesamt reicht die zur Verfügung stehende Summe nicht, um den betroffenen Kommunen wirklich aus der Klemme zu helfen. Eine bloße Überbrückungshilfe wirkt auch nicht nachhaltig. Letztlich müssen die Kommunen am Ende ihre Finanzprobleme allein lösen, ohne dass das Land hier strukturell und damit nachhaltig eingreift. Und das funktioniert derzeit rein rechnerisch auf dem Papier nur deswegen, weil die Orientierungsdaten des Landes und die Formel für die Wachstumsraten die Ergebnisse in den Jahren 2016 bis 2021 beschönigen. (…)
Leider konterkariert der Kämmerer diese richtigen Feststellungen gleich wieder und fordert, obwohl er die Ursachen der Finanzprobleme sehr genau kennt, erneut:
Trotzdem bleibt festzuhalten, dass wir bei vielen Maßnahmen bisher nur sehr zögerlich vorgegangen sind. Ich nenne nur Schule, Kultur, Sportstättennutzungsgebühr, Neuordnung der Beteiligungen und Schwimmbäder. Gemessen an anderen Städten unserer Größe geben wir immer noch viel zu viel Geld aus.
Konkrete – und vor allem nachprüfbare – Angaben zu letzterem sind auch hier nicht zu finden (Wie sich das mit den Hagener „Vergleichen“ beispielsweise im Kulturbereich verhält, siehe hier: Die Kultur ist schuld).
Das eingangs von Christoph Gerbersmann erwähnte Bild mit den „12 Herren in einem Badetümpel“ müsste bei weiterer Fortschreibung der Kürzungspolitik immerhin etwas anders betitelt werden: Das Wasser steht uns jetzt zwar nur noch bis zu den Schultern, ist dafür aber leider ungenießbar geworden.
Info: Die komplette Haushaltsrede incl. der neuen Kürzungsvorschläge (pdf)
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