Glaubt man der Demoskopie, geraten die Piraten zunehmend in stürmische Gewässer. Lag die Partei in den Sonntagsfragen vor gar nicht langer Zeit noch bei 13, 14 Prozent, haben sich diese Werte inzwischen relativiert und die politischen Freibeuter kämen gerade mal noch auf die Hälfte der (prognostizierten) Stimmen.
Ursache dieses Schwundes an Zustimmung der Wähler dürfte in erster Linie in der Kakophonie zu finden sein, die ihre führenden Akteure verbreiten und natürlich von den Medien begierig aufgegriffen werden. Die anfängliche Sympathie für ein sich wohltuend von den üblichen Ritualen im Politikbetrieb absetzendes Prozedere schwindet mit der Zeit, da letztendlich auch Enttäuschte aus anderen Lagern, die zur Piratenpartei übergeschwenkt sind, ohne klare programmatische Eckpunkte auf Dauer nicht bei der neuen Stange bleiben werden.
Jüngstes Beispiel dieser Verwirrungen ist die Aktion des Hagener Landtagsabgeordneten der Piraten, Dirk Schatz, der gemeinsam mit seinem Parlamentskollegen Nico Kern Strafanzeige gegen den NRW-Fianzminister Walter-Borjahns eingereicht hat. Grund ist der Ankauf von Steuer-CDs aus der Schweiz, mit dem möglicherweise Steuerhinterzieher belangt werden können.
Die restliche Fraktion distanzierte sich von diesem Vorgehen umgehend. Simone Brand, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Piraten im Landtag NRW: „Die Piratenfraktion legt Wert auf die Feststellung, dass die Strafanzeige gegen Minister Walter-Borjans ausschließlich die Angelegenheit der Abgeordneten Schatz und Kern ist.“
Auch der Finanzminister konterte: „Die Kämpfer für Transparenz und gegen den Schutz des geistigen Eigentums werden zu Hütern des Schweizer Bankgeheimnisses und der dort angelegten Schwarzgeldmilliarden.“
Der Grünen-Finanzexperte Mehrdad Mostofizadeh erklärte nach Angaben des SPIEGEL: „Freibeuter schützen Freibeuter. Dabei sollten die Piraten lieber die Arbeit tun, für die man sie ins Parlament gewählt hat, und nicht Steuer-Piraten schützen.“ Laut derselben Quelle beklagten sich mehrere Piratenanhänger im Internet über das entstandene Kommunikationschaos.
Enttäuscht über das Vorgehen des Hagener Piraten-MdLs Schatz dürften auch viele ehemalige Linken-Wähler der Volmestadt sein, die aus Frust wegen der unlinken Clanwirtschaft innerhalb der Hagener Linkspartei, die auch noch aus machtpolitischen Erwägungen von den Landesgremien abgenickt wurde, ihre Stimmen umgeschichtet hatten. In der Folge war die LINKE massiv abgestürzt, während gleichzeitig die PIRATEN mit 8,3 Prozent der Wählerstimmen stark zulegen konnten und sogar noch einen halben Prozentpunkt über dem Landesschnitt landeten.
Für potentielle eher linke Wähler hatte sich das ehemalige SPD-Mitglied Dirk Schatz gar nicht schlecht dargestellt, wie man dem Vorwahl-Kandidaten-Check auf der Plattform abgeordnetenwatch.de entnehmen kann (Dort auf „Antworten des Kandidaten“ klicken). So sprach er sich gegen das Turbo-Abitur nach 12 Jahren, gegen Studiengebühren und für ein eingliedriges Schulsystem aus.
Zum Thema Steuern findet sich allerdings eine mehr unverbindliche Aussage des Kriminalkommissars a.D.: „Ich denke, der vernünftige Bürger sieht die Notwendigkeit von Steuern.“ Aber was ist mit den unvernünftigen? Solche, deren Namen sich jetzt möglicherweise auf den Steuer-CDs finden? Steuerhinterziehung ist eben nicht eine lässliche Sünde, sondern ein Straftatbestand.
Vor diesem Hintergrund fragte ein Bürger bei abgeordnetenwatch.de nach: „In Ihrer Eigenschaft als Polizeikommissar frage ich Sie, wo Sie hier einen gravierenden Unterschied zu der Polizei-Methode der entgeltlichen „Beschäftigung“ von V-Leuten sehen. V-Leute beschaffen auch Informationen – sicher nicht immer auf rechtlich einwandfreien Wegen – die der Polizei bei der Aufdeckung von Straftaten insoweit helfen, als möglicherweise illegal erlangte Informationen zu effektiven, rechtsstaatlich einwandfreien Aktionen der Polizei führen.
Würden Sie eine CD, die z. B. Informationen zu einer Mordtat liefert, nicht verwenden, weil Sie Ihnen jemand zuspielte, der sie eigentlich nicht besitzen durfte?
Halten Sie es auch für illegal, wenn die Steuerfahnder aufgrund eines anonymen Hinweises Ermittlungen aufnehmen? Soweit ich weiß, sind die Finanzbehörden verpflichtet, allen Hinweisen, die ihnen – egal auf welchem Wege – zur Kenntnis gelangen, nachzugehen.“
Die Anfrage ist auf den 17.08.2012 datiert. Eine Antwort liegt bis jetzt nicht vor.
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