Dehm läutet den Abgang ein – verfrühter Jubel ist aber nicht angebracht
„Der Lotse geht von Bord“ ist eine berühmte Karikatur aus dem Jahre 1890 unterschrieben. Sie zeigt einen älteren Herrn, der ein Schiff über eine seitliche Treppe verlässt. Bei dem Absteigenden handelt es sich um den Reichskanzler Otto von Bismarck, der soeben seine Demission eingereicht hatte.
An diese Darstellung erinnert ein wenig die Fotografie, mit dem die Hagener WPWR ihren Bericht zum Umzug des Hagener Oberbürgermeisters Jörg Dehm zurück in seine Heimatstadt Mülheim an der Ruhr illustriert hat. Zu sehen ist die Rückansicht eines Mannes, der – im meerfernen Hagen – natürlich kein Schiff verlässt, sondern auf einem Feldweg aus dem Bild schreitet.
Abseits aller Unterschiede in der Symbolik dürfte aber klar sein, dass die Zeit des Jörg Dehm in seiner Rolle als Oberbürgermeister ihrem Ende entgegen geht. Die jetzige Aufgabe des Zweitwohnsitzes wird wohl nur der Anfang sein. Dabei war die Frage, an welchem Ort der OB seinen Feierabend verbringt, wirklich nur das kleinere Problem der Personalie Dehm.
Das größere Übel bestand von Anfang an in der Auffassung Dehms, was denn eine Kommune überhaupt ist. Nach seiner Meinung handelt es sich bei einer Stadt nicht um ein Gemeinwesen, sondern um einen „Konzern“; eine Definition aus den Lehrbüchern der neoliberalen Ideologen, die inzwischen auch in führenden Kreisen der Hagener SPD gepflegt wird.
Schon in seiner Vergangenheit als Adlatus des seinerzeitigen Mülheimer Oberbürgermeisters Baganz war Dehm auf diese Praktiken eingeschworen und vor allem erpicht darauf, im großen Stil Privatisierungen und Auslagerungen durchzuziehen. Dabei hatten die beiden den Bogen allerdings reichlich überspannt, und so verschwand OB Baganz von der Bildfläche – und mit ihm sein emsiger Helfer Jörg Dehm.
Aber glücklicherweise gab es ja die treuen Helferlein von der hiesigen CDU, die alles nach Hagen einschleusen, was sonst niemand haben will. So wurde Dehm nach einer Karenzzeit im Dinslakener Zwischenlager, wo er sich als Kämmerer „nützlich“ machte (wieder mit Ausgründungen, Teilprivatisierungen und „Private partnership“-Projekten), als Hoffnungsträger für die anstehenden Wahlen zum Oberbürgermeister aufgebaut.
Zu Hilfe kam den Christdemokraten dabei die SPD, die sowohl mit ihrem – anscheinend von Yellow-Press-Produkten inspirierten – Herz-Schmerz-Wahlprogramm als auch mit dem inthronisierten Spitzenkandidaten dafür sorgte, dass möglichst viele Wähler zum vermeintlichen „Wunderheiler“ abwanderten oder gleich zuhause blieben.
Jetzt also der erste Schritt Dehms in Richtung Rückzug aus Hagen. Da der Mülheimer hierzulande kaum noch irgendwelche Chancen auf Wiederwahl haben dürfte, sind die von Kommentator Martin Weiske in der WPWR genannten Gerüchte durchaus denkbar: Dehm wolle demnach über kurz oder lang zu einem größeren Energieversorger in seiner Nachbarschaft wechseln.
In Frage käme in erster Linie der in Essen beheimatete RWE-Konzern. Dem hatte das Duo Dehm/Baganz schon die Mülheimer Anteile an der örtlichen Wasserversorgung zugeschanzt. Und in Hagen ist Dehm Vorsitzender des Aufsichtsrats des regionalen Energielieferanten ENERVIE, an dem RWE ebenfalls beteiligt ist.
Man kennt sich also.
Möglich wäre also, dass nur noch Vertragsdetails geregelt werden müssen, und Dehm fände in der Energiebranche ein neues Betätigungsfeld. Dieses wäre mit ziemlicher Sicherheit finanziell wesentlich opulenter ausgestattet als seine jetzige Tätigkeit (135.000 Euro p.a.) und der Noch-OB würde – allen heutigen Dementis zum Trotz – in diesem Falle gern auf seine hiesige Restlaufzeit verzichten. Dann könnte es schon bei der Kommunalwahl 2014 zur Abstimmung über einen neuen Oberbürgermeister kommen.
Verfrühter Jubel der Dehm-Gegner ist allerdings nicht angebracht. Da das personelle Angebot der beiden sogenannten „Volksparteien“ mehr als dürftig ist, könnten die Hagener schneller als ihnen lieb ist vom Regen in die Traufe kommen.
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