Der EU-Gipfel und die Lage der Kommunen – Falsche Diagnose und falsche Schlüsse

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Gastbeitrag von Jochen Marquardt, DGB Kreisvorsitzender

Die vergangene Woche war geprägt von vielen Lobeshymnen auf die Beschlüsse des EU-Krisengipfels. Die beschlossene Tendenz der Euro-Rettung erinnert fatal an die Grundphilosophie des Schuldenabbaus in unserer Stadt.

Auch auf der Ebene der europäischen Staaten soll die Lösung auf der Ausgabenseite gefunden werden. Dort wie in den Kommunen ist es natürlich richtig, falschen Ausgaben ein Ende zu machen. Das ist dringend notwendig und es gehört zu einer verantwortlichen Finanzpolitik auf allen Ebenen selbstverständlich in den Blick zu nehmen. Eine neue Erkenntnis ist dies freilich nicht.

Die tatsächlichen Ursachen für die Finanzmisere werden allerdings wieder einmal nicht angegangen und die Beschlussfassung, die vor allem von der deutschen Kanzlerin und Nicolas Sarkozy voran getrieben worden ist, werden auch mit diesen Maßnahmen in einer Vergeblichkeitsfalle verharren und weiterhin dafür sorgen, dass die Turbulenzen akut bleiben und nicht zur Lösung führen.

Wie in den Kommunen liegen die zentralen Fragen auf der Einnahmeseite. So verfügen z.B. in Griechenland etwa 2.000 reiche Familien über 80 Prozent des Reichtums im Lande. Insgesamt sind die Ausgaben in Europa in den vergangenen Jahren durch die Bank zurück gefahren worden und die Einnahmen eingebrochen. Wir haben es kommunal, national und international mit einer immer stärkeren Ungerechtigkeit in der Verteilung zu tun. Die Schere zwischen Reich und Arm geht immer weiter auseinander – auf allen Ebenen. Dafür trägt die europäische Politik der vergangenen Jahre große Verantwortung.

Während überall darüber lamentiert wird, dass die Sozialausgaben und Daseinsversorgung zurück gefahren werden soll, dass die „deutsche“ Rente mit 67 Jahren und die „deutsche“ Schuldenbremse in allen Ländern greifen soll, bleibt es dabei, dass die Banken und Spekulanten verschont werden. Wir haben es mit einer grundlegenden Verteilungskrise zu tun und diese zu überwinden benötigt sowohl kurzfristig wie auf längere Sicht eine gänzlich andere Politik.

Anstatt eine so genannte Fiskalunion einzufordern, wird es immer dringlicher Wege zu eröffnen, die diejenigen in die Pflicht nehmen, die sich an vielen Orten dumm und dämlich verdient haben. Dazu müssen soziale Standards beschrieben werden, müssen Bildungsanstrengungen verschärft angegangen werden und steuerliche Maßnahmen ergriffen werden, die immer unumgänglicher gesichert werden müssen. Denn die Zukunft Europas und die Zukunft der Nationalstaaten benötigt verlässliche Perspektiven für die Städte und Gemeinden und den dort lebenden Menschen, die gute Arbeit, gute Bildung und gutes Leben ermöglichen und garantieren.

Davon sind wir noch ein ganzes Stück entfernt – Europäisch und bundespolitisch. Auf der Landesebene auf der über einen falsch angelegten Stärkungspakt für die Städte und die Einführung der Schuldenbremse in die Landesverfassung fabuliert wird und auf der kommunalen Ebene in der auf einmal selbst Kunstwerke zur Rettung herhalten könnten. Eine Entwicklung, die dringend gestoppt werden muss.

Das wird aber nicht von selbst geschehen, sondern erfordert einen klaren Blick auf die tatsächlichen Probleme und deren Ursachen und die Bereitschaft aktiv dafür einzutreten. Die Occupy-Bewegung hat dazu einige gute Anstöße gegeben. Aufstehen für die eigene Stadt ist dabei ein lokaler Anker aus dem Handlungsfähigkeit und Widerstand entwickelt werden müssen.

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