Hagen im Jahre 2595 schuldenfrei

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Regionalverband Ruhr legt Kommunalfinanzbericht vor

In knapp 580 Jahren könnte die Stadt Hagen schuldenfrei sein – aber nur unter optimalen Bedingungen, deren Wahrscheinlichkeit eher im Bereich des Phantastischen liegt. Das geht aus dem Kommunalfinanzbericht hervor, den der Regionalverband Ruhr (RVR) jetzt vorgelegt hat. Grundlegende Kritik an den Verursachern der Finanzmisere, Land und hauptsächlich Bund, sucht man vergebens.

Das „Sparen“ in den Städten und Kreisen des Ruhrgebiets zeigt nach Ansicht des RVR Wirkung: Seit 2015 hätten sich die Kommunalfinanzen in der Metropole Ruhr soweit verbessert, dass der Haushaltsausgleich fast geschafft sei. Geholfen hätten dabei auch der Stärkungspakt Stadtfinanzen und die stabile Konjunktur.

„Geholfen“ hat vor allem – und das nennt der RVR eben nicht beim Namen – eine rigide Kürzungspolitik zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger der betroffenen Kommunen. Gerade dem angeblichen „Stärkungspakt“ wohnt dabei ein gewaltiges Erpressungspotential inne: wer nicht spurt, fliegt aus dem Pakt raus.

Kritisch beurteilt Finanzexperte und Studien-Autor Prof. Martin Junkernheinrich das weiterhin hohe Niveau der Kredite zur Liquiditätssicherung. Ihr Volumen stagnierte in 2015 auf 14,6 Milliarden Euro bzw. 2.891 Euro je Einwohner. „Trotz des niedrigen Zinsniveaus binden die Ausgaben für Zinsen ein Volumen von 445 Millionen Euro. Dieses Geld, das entspricht 88 Euro je Einwohner, fehlt, um dringend notwendige Investitionen finanzieren zu können“, so Junkernheinrich.

In Hagen liegt das Kreditniveau noch wesentlich höher: 5.800 Euro je Einwohner. Unter der Prämisse einer hypothetischen Tilgung von 10 Euro pro Einwohner und Jahr würde die letzte Rate der Schulden im Jahr 2595 gezahlt. Aber nur unter der Voraussetzung, dass keine neuen Kredite aufgenommen werden, die Einwohnerzahl nicht abnimmt und das Zinsniveau auf die momentanen Niedrigststand verharrt.

All das ist über einen Zeitraum von 580 Jahren kaum anzunehmen. Unter den jetzigen Rahmenbedingungen wird es also vermutlich noch viel länger dauern. Aufgebaut wurde der Schuldenberg zu 99 Prozent innerhalb von nur anderthalb Jahrzehnten im Wesentlichen aufgrund von Vorgaben der Landes- und Bundesgesetzgebung.

„Die aktuellen Zahlen zeigen eindeutig: Die Städte und Kreise leben weiter im Spagat zwischen hohen Altlasten und Sozialausgaben auf der einen Seite und geringen Investitionen auf der anderen“, lautet das gemeinsame Fazit vom Vorsitzenden der RVR-Verbandsversammlung, Josef Hovenjürgen, und von Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel, die dienstbeflissen loben: „Wir sind froh, dass die Konsolidierung Wirkung zeigt. Entlastungen von Bund und Land helfen, genauso wie eine solide Konjunktur.“ Allerdings: „Dennoch gibt es kaum Spielraum für Investitionen.“

Diese sind in 2015 wieder um 1,9 Prozent zurückgegangen. Mit 118 Euro je Einwohner waren sie weniger als halb so hoch wie im westdeutschen Durchschnitt (255 Euro je Einwohner). In Hagen waren es sogar nur 84 Euro je Einwohner.

In den Rathäusern sei aber vorsichtiger Optimismus angesagt angesichts des ab 2016 wirksam werdenden Kommunalinvestitionsförderprogramms des Bundes für finanzschwache Kommunen. „Die Konsolidierungsziele scheinen in vielen Städten erreichbar, allerdings gibt es bislang keinerlei Lösungen für die Verschuldungsfrage der Städte. Des Weiteren bleibt festzuhalten, dass im Zuge der Konsolidierungsmaßnahmen sich große Teile des Ruhrgebietes – Stichwort: Stärkungspaktkommunen – zu einer Hochsteuerregion mit schlechter Infrastruktur entwickelt haben. Hier muss dringendst gegengesteuert werden“, so Josef Hovenjürgen.

Alle Zahlen: Kommunalfinanzbericht (pdf)

Eine Antwort to “Hagen im Jahre 2595 schuldenfrei”

  1. Umleitung: Neun Links von Public History über „Fake News“ bis zur Kino-Ödnis | zoom Says:

    […] Hagen im Jahre 2595 schuldenfrei: Regionalverband Ruhr legt Kommunalfinanzbericht vor … doppelwacholder […]

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