Der gute Herr Weiske und sein Obstkörbchen

by

von Christoph Rösner

Na, da hat der gute Martin Weiske, stellvertretender Redaktionsleiter der Westfalenpost Hagen, mal wieder verspätetes Erntedank gefeiert und ganz viele Äpfel und Birnen in sein Antitheaterkörbchen gesammelt. Und heraus kömmt?! Ein wohlschmeckendes Mus? Oder ein leckerer Blechkuchen? Schön wär´s!

Blech! Mumpitz! Und ganz viel Stimmungsmache.

Dass dem guten Herrn Weiske das nur so passiert, will jedoch niemand mehr glauben. Vielleicht glaubt er tatsächlich noch selbst an die Zahlen, die er mit enervierender Regelmäßigkeit publiziert, vielleicht aber weiß er genau, was er tut. Und hier fängt es an, zu müffeln.

Was hat er wieder getan, der gute Herr Weiske?

Heute, am 17. Oktober, lässt er in der Westfalenpost einen Artikel erscheinen mit dem schönen Titel: „Hagen bleibt bei den Kulturausgaben spitze“

Ich habe ihn schon öfter in Sachen Journalismus kritisieren müssen, doch schon wieder gibt er mir Anlass, seine Arbeit zu schelten.

Wen sehen wir auf dem Titelbild von Michael Kleinrensing, dem Weiske die originelle Unterzeile „Wenn’s um Kultur geht, lässt Hagen weiterhin gerne finanziell die Puppen tanzen“ nachstellt? Wir sehen vier Puppen, sorry, drei Puppen und einen Menschenkopf. Dieser Kopf gehört Jürgen Pottebaum, Chef der Marketing-Abteilung des Hagener Theaters.

Dass in einer Bildunterzeile die zu sehenden Figuren – meist von l. nach r. – mit Namen genannt werden, wird dem guten Herrn Weiske wohl im Eifer seines persönlichen Kulturkampfes durchgegangen sein, und man möge ihm diesen kleinen Fauxpas verzeihen.

Mich allerdings würde interessieren, ob Jürgen Pottebaum mit dem Abdruck seines Konterfeis im folgenden Kontext einverstanden war oder überhaupt gefragt worden ist. Denn es geht – mal wieder – um nichts anderes, als um die Zurschaustellung und gebetsmühlenartige Verbreitung falscher Zahlen und Daten.

Zum einen nimmt sich der gute Herr Weiske den Prüfbericht der Gemeindeprüfungsanstalt (GPA) vor, dessen Ergebnisse er nahezu lustvoll vor seinem kulturgenervten Lesevolk ausbreitet. Und selbstverständlich bestätigt Christoph Gerbersmann die Zahlen des Prüfberichts unverzüglich – man kennt sich, man versteht sich halt – demnach werden in Hagen € 122,- pro Jahr und Bürger für die Kultur ausgegeben – rund 34 Cent pro Tag und Bürger! Dazu gibt der gute Herr Weiske sogar einschränkend zu Bedenken, dass „In dieser Auflistung naturgemäß auch Städte berücksichtigt [sind], die über keinerlei selbstbespieltes Bühnenangebot verfügen.“ Ach was!

Weiske sagt also selbst, dass der Vergleich von Äpfeln und Birnen so nicht funktioniert, was ihn aber nicht davon abhält, im Folgenden wiederum die kreisfreien Städte mit oder ohne eigenes Haus in sein Sammelkörbchen zu werfen, alles ordentlich durcheinanderzuwirbeln um am Ende stolz und selbstbewusst sein Ergebnis zu präsentieren.

„Im Vergleich der kleinen kreisfreien Städte – bis 200.000 Einwohner – sind die 122 Euro pro Bürger sogar der mit Abstand höchste Wert. Die nächste Kommune in der Rangfolge investiert lediglich 59 Euro pro Einwohner in die Kultur, also nicht einmal die Hälfte vom Hagener Budget. Der Mittelwert in den kleineren Großstädten liegt somit – verursacht durch den Hagener Ausreißer – bei 60 Euro für die Kulturausgaben.“

Aha! Hagen also ist der Ausreißer, der den Schnitt kaputtmacht und seine Künstler und künstlerischen Mitarbeiter auch noch halbwegs ordentlich bezahlt. Dass die sich nicht schämen!

Egal, ob in seinem Körbchen Städte ohne eigenbespieltes Theater liegen oder nicht, Herr Weiske hat den Schuldigen gefunden und demonstriert in eindrucksvoller Weise, wie man falsche Vergleiche instrumentalisiert, um die gewollten Zahlen zu erhalten.

Übrigens: ich habe heute auf der Website der GPA recherchiert und nirgends einen aktuellen Prüfungsbericht zu Hagen gefunden … ach, richtig, Herr Weiske bezieht sich heute, Ende 2015, mit journalistisch, investigativ „tiefer gehendem Blick“ auf den Prüfbericht aus dem Jahr 2012, wenn ich das richtig verstehe, sorry, ich hatte gedacht, da käme was Aktuelles …

Aber, Spaß beiseite, viel interessantere Zahlen liefert die Statistik des Deutschen Bühnenvereins aus dem Jahr 2013/14. (siehe unten) Und da eröffnet sich plötzlich und unerwartet ein völlig anderes Zahlenwerk, das Staunen macht.

Und nachdem wir uns das Staunen aus den Augen gerieben haben, erscheint Hagen da plötzlich auf dem 14. Platz – von wegen „Spitze“! – von 14 wirklich vergleichbaren Städten.

Kaiserslautern zum Beispiel wird von knapp der Hälfte Einwohner bevölkert und zahlt seinem Theater mehr als 20 Millionen und das mit rund 50 Mitarbeitern mehr als Hagen! Ja wie kann denn das sein!? Und warum hat der gute Herr Weiske denn nicht diese Zahlen für seine tiefschürfende Analyse herangezogen?

Die Antwort ist ganz einfach: er wollte nicht.

Und warum wollte er nicht? Weil ihm die Antwort nicht in den Kram passt, denn sonst müsste der gute Herr Weiske sich ja schmerzhaft eingestehen, dass er seine überhebliche Empfehlung an die Hagener Theaterleitung in seinem hinreißenden Kommentar selbst erstmal ernstnehmen und auf sich selbst anwenden müsste, die da lautete: „Es reicht nicht, reflexartig an Vertrautem festzuhalten.“

Vergleichbar große und kleinere Städte (< 200.000 Einw.) mit Musiktheater, Quelle: Statistik des DBV 2013/14

Stadt Einwohner Theateretat Personal
Darmstadt 149.700 36.500.000 567
Dessau 83.600 20.700.000 343
Heidelberg 152.100 26.600.000 338
Kaiserslautern 97.700 20.900.000 325
Kassel 194.000 34.900.000 480
Oldenburg 162.500 26.200.000 426
Osnabrück 156.000 19.200.000 294
Regensburg 140.200 20.300.000 310
Saarbrücken 177.200 31.500.000 424
Schwerin 95.500 24.300.000 329
Ulm 123.500 23.600.000 266
Weimar 63.300 26.600.000 411
Würzburg 133.800 17.100.000 243
Hagen 185.900 17.600.000 273

2 Antworten to “Der gute Herr Weiske und sein Obstkörbchen”

  1. Christian Schultz Says:

    Wunderbarer Kommentar, Weiske macht offensichtlich statt Berichterstattung seine eigene, oft mit bewussten falschen Behauptungen versehene Politik (s. Zitat GPA), aber warum kann das Theater das nicht selbst richtigstellen, z.B. schon in der Antwort an den OB (man wusste doch, was als Reaktion kommen würde)?
    Für mich ist das Drama absehbar, da OB und Theater mehr übereinander als miteinander sprechen, dass es Ende d.J. aller Vorausssicht nach ein böses Erwachen geben wird, das wir dann alle zu spät bedauern werden, wenn das Kind im Brunnen liegt.

  2. Allan Quatermain Says:

    Wo ich mir das Zahlenwerk des Herrn Weiske angesehen habe
    und dann anschließend die Suchmaschine an geschmissen habe,

    bin ich von der Journalistischen Sorgfaltspflicht der Herrn Weiske nicht mehr überzeugt. (Wenn ich ehrlich bin, ich war es noch nie!)

    Hier wird Stimmung gegen das Theater und seinen Angestellten, seitens der Presse gemacht.

    Das der oberste Kämmerer der Stadt Hagen nicht richtig Rechnen kann, hat Er ja schon zig mal bewiesen.
    An einigen seiner Rechenkünste war ich selbst zugegen
    und habe hier im doppelwacholder, so einige seiner Kapriolen hinein gesetzt.

    Aber bis jetzt rettete ihn sein Parteibuch und seine Mitarbeiter vor weiteren Ungemach.
    Den würde noch nicht einmal der US-Bräter an seine Kassen lassen.

    Da man ja mitbekommen hat, das Herr Gerbersmann nicht so viel vom Theater hält,

    was bezweckt Herr Weiske mit seiner gefakten Statistik?

Hinterlasse einen Kommentar