Rückblende: Der Großwildjäger

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Am 31. Juli 1995 schloss die Andreas-Brauerei in Hagen-Haspe entgültig ihre Pforten. Die eigentliche Produktion war bereits zum Jahresende 1994 eingestellt worden, die verbliebenen 84 Beschäftigten verloren ihre Arbeit.

Vorausgegangen war ein drei Jahrzehnte währender Niedergang dieser tratitionsreichen Braustätte, der mit der Beteiligung von Rudolf August Oetker im Jahre 1964 begann. Carl Horst Andreas, der 1942 die damalige Aktiengesellschaft in eine Einzelfirma umgewandelt hatte, brauchte dringend Bares für seine aufwendigen Hobbies.

Andreas hatte nach der nationalsozialistischen Gleichschaltung 1936 den Vorsitz des Reitervereins Hagen übernommen und in den 30er Jahren in Hagen Reitturniere veranstaltet. Diese Aktivitäten setzte er auch nach dem Ende des Krieges fort.

Zu seiner eigentlichen Leidenschaft entwickelte sich allerdings die Jagd – vor allem die auf ganz große, ganz exotische Tiere. Damit fand er sogar Eingang in die überregionale Presse:

Viele neue Großverdiener entdeckten nämlich, daß es ihrem sozialen Prestige und ihrem Kredit nutzt, wenn sie sich mit dem Nimbus des kühnen Jägers umgeben, der seine Treffer nicht nur im Geschäftsleben, sondern auch im Finsterwald und vor dem Fuchsbau anzubringen versteht.

Die meisten Finanzämter nahmen den Steuerberatern der Großfirmen ab, daß die Jagdaufwendungen als betriebsnotwendige Werbungskosten anzusehen seien.

Indes, die Witzfigur des Sonntagsjägers wurde in letzter Zeit durch eine andere Type verdrängt, den Trophäenjäger, der mangels geeigneter Jagdgründe sein Weidmannsheil im Osten suchen muß. Vielfach wird dieser Drang in die sonst dem Großbürgertum so verpönte Himmelsrichtung mit dem Mangel an pachtbaren Revieren in Zusammenhang gebracht.

Die Ruhrindustrie war in Ungarn noch durch den Dortmunder Experten für Stahlkonstruktionen und Brückenbau, Moritz Klönne, abschußreich vertreten; die Ruhr-Dynastie Hoesch durch den Fabrikanten Rudolf Hoesch aus Düren und die Brauerei-Industrie durch den Biermillionär Carl Horst Andreas (Andreas-Pils, Hagen), den sein Sauerland-Pachtrevier Hallenberg nicht mehr befriedigte. Er überließ es dem Hausmeier der Thyssen-Familie, Hans-Günther Sohl, und sucht seither nur noch Jagdgründe wie Ungarn oder Ostafrika heim, die reiche und außergewöhnliche Beute versprechen.

213 Trophäen stellte Andreas in seiner Heimatstadt öffentlich zur Schau, darunter 12 Elefantenschwänze, eine Flußpferd-Oberlippe mit Nasenlöchern und ein Krokodilbaby. Müde Betrachter durften sich auf Hockern aus fellüberzogenen Elefantenfüßen niederlassen.

Um stets das ganze Sortiment seiner Jagdkuriositäten überblicken zu können, läßt der Bierbrauer („Alles von mir persönlich geschossen und dann präpariert oder verarbeitet“) zur Zeit eine Walhalla errichten, die er als privates Jagdmuseum ausstaffieren will.

Quelle: DER SPIEGEL 13/1961

Nach außen versuchte Andreas die Fremdbeteiligung an seinem Unternehmen unter der Decke zu halten und trat weiterhin als Alleineigentümer auf – sein Selbstbild als Unternehmer, der gleichzeitig als Großwildjäger den Hagener Provinzboulevard bediente, hätte ja Schaden nehmen können.

De facto widmete sich Carl Horst Andreas nach dem Einstieg von Oetker mehr oder weniger ausschließlich seiner Jagdleidenschaft, während die Oetker-Leute im Unternehmen in rascher Folge wechselten. Als Andreas 1981 starb, verkaufte seine Witwe auch die verbliebenen Anteile an Oetker, der die Andreas-Brauerei in die heutige Radeberger-Gruppe, das Dach der Oetker-Brauereibeteiligungen, eingliederte.

Oetker wartete noch den Tod der Andreas-Witwe Anfang 1994 ab – danach wurde die Hasper Brauerei liquidiert.

Eine Antwort to “Rückblende: Der Großwildjäger”

  1. Ninja Says:

    Noch ein paar Vitas des Carl Horst Andreas:

    Persönlich habe ich das Reich des C.H.A. besichtigigen dürfen.
    Dabei fielen nicht nur die Jagdtrophäen auf, sondern der Brauereibesitzer hatte für jeden ersichtlich, den Ausweis als Östereichischer Staatsbürger in der Jagdstube liegen.

    Es ging die Geschichte herum, dass er seine Villa nebst Trophäen der Stadt Hagen als Museum vermachen wollte.

    Bei einen Skiurlaub den ich in Judenburg/Steiermark machte, hatte ein Kaufhaus und Restaurant, “ Hasper Maggi und Andreas Bier“ im Ausschank.
    Auf mein Erstaunen und Fragen dazu, wurde mir bestätigt,
    das C.H.A. in der Nähe eine Jagd hätte.

    Noch einen:

    Nach dem Tod C.H.A. hatte seine Witwe trotz Chaufeur für den Mustang und anderen Bediensteten, Angst vor Einbrecher.
    So wurde der Pferdestall vor der Villa zum Wohnhaus umgebaut.
    Mieter wurden dann Landesbedienstete. Auch im Grünen Rock.
    Ob Mietfrei, oder nicht, wurde als Staatsgeheimnis gehandelt.

    Aber die Bewohner hatten Stress mit der Witwe und so blieben die Wohnungen lange leer.

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