Hagen schafft sich ab

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Hagen schaffts! Unter diesem Motto versucht der Hagener Oberbürgermeister Jörg Dehm in einer Propagandaschlacht, wie sie die Stadt selten erlebt hat, seine Kürzungspolitik unters Volk zu bringen.

Allein für Druck und Schaltung der Beilage im Wochenkurier vom vergangenen Samstag war ein fünfstelliger Betrag fällig. Ab Dienstag wird Dehm durch Vereinshäuser und Gemeindesäle ziehen, um für seine „Spar“pläne zu werben. Dort erwartet er Vorschläge aus der Bürgerschaft für weitere Kürzungsmaßnahmen – und die wird er zweifellos bekommen. Schließlich wird den Hagenern mit kräftiger Unterstützung der lokalen Medien seit Jahren eingetrichtert, „wir“ hätten „über unsere Verhältnisse“ gelebt und jetzt müsse halt „der Gürtel enger geschnallt“ werden.

Diese Parolen wurden mit geradezu masochistischer Lust verbreitet, nur waren und sind die Wortführer nicht von diesen Parolen betroffen – es handelt sich also in Wirklichkeit eher um einen Akt, der sadistische Züge trägt.

Natürlich gibt es nicht wenige hausgemachte Probleme, die sich u.a. auch finanziell niederschlagen, man denke nur an die unseligen Derivat-Geschäfte, die mit einem Verlust von 42 Mio. € endeten. Aber wer hatte die zu verantworten? Die Hagener Bürger, die jetzt bluten sollen?

Nein. Das waren die Vertreter der ganz großen Koalition, die in Hagen die Pfründe seit Jahrzehnten einvernehmlich abgreift und untereinander aufteilt. Verantwortlich für diesen Deal waren die nach Aachen entschwundene Kämmerin Grehling (CDU) und ihr Chef, der damalige OB Demnitz (SPD).

So übel diese Nummer war – sie ist nur ein vergleichbar geringer Teil des Gesamtproblems der kommunalen Verschuldung. Letztere wurde lange Zeit in der lokalen Öffentlichkeit als Hagener Spezifikum dargestellt, was von der örtlichen WAZ-Presse und dem Anzeigenblättchen aus der Frankfurter Str. kräftig befeuert wurde.

Auch Misswirtschaft in der Stadtverwaltung soll hier überhaupt nicht beschönigt werden. Aber: Zumindest ein großer Teil dieser Fehlentscheidungen basiert auf Beschlüssen der Ratsfraktionen von CDU und SPD – meistens mit Zustimmung der Klientelpartei FDP.

In der Folge dieser Politik, die teilweise das Ziel verfolgte, Kumpanen lukrative Aufträge zuzuschanzen, teilweise aber auch schlicht das Ergebnis der Dummheit der Akteure war, bildete sich ein Sockel der Unterfinanzierung, der allerdings aus heutiger Sicht marginal war.

So sind die Investitionskredite (alle Angaben auf der Basis der Zahlen des Stadtkämmerers) seit 1997 stetig gesunken. Auch die Kassenkredite, sprich die jährliche Unterdeckung des städtischen Haushalt, befanden sich bis zu den Jahren 2000/2001 im beherrschbaren Rahmen.

Danach schossen sie in die Höhe – bei gleichzeitig wegbrechenden Einnahmen. Die Einnahmeverluste von 1999 bis heute dürften bei mehr als 700 Mio. € liegen und damit einen Großteil der Gesamtverschuldung ausmachen.

Interessanterweise besteht – zumindest – eine Korrelation zwischen dieser Explosion der Einnahmeverluste und den massiven Steuergeschenken an Großverdiener durch die damalige Schröder-Regierung. Die Große Koalition aus CDU und SPD und ebenfalls die jetzige Schwarz-Gelbe Regierung haben diese Linie fortgesetzt.

Da die Kommunen über das Gemeindefinanzierungsgesetz an diesen Einnahmen beteiligt sind, traten dort entsprechende Einnahmeverluste auf. Diese konnten durch die gleichzeitige Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte nicht ausgeglichen werden, da die Gemeinden an dieser Steuer nicht partizipieren. Dieser Punkt ist aber ist der öffentlichen Darstellung der Haushaltsprobleme der Stadt nie erwähnt oder als bedeutungslos heruntergespielt worden.

Wem es also daran gelegen ist, die Bürgerschaft aufzuklären und eine Möglichkeit zur Lösung der Hagener Haushaltsmisere zu finden, muß auf diese Zusammenhänge hinweisen, statt Kürzungskataloge zu präsentieren, unter denen diejenigen zu leiden haben, die diese Misere nicht ausgelöst und nicht zu verantworten haben.

Ein Bürgermeister, der sich als „Erster Bürger“ der Stadt als Interessenvertreter seiner Bürger versteht, müßte massiv bei den Hauptverursachern dieser Krise – bei der Bundesregierung – vorstellig werden und gegebenenfalls die Bürger dieser Stadt mobilisieren.

Solange das nicht passiert, kann die Dehm-Parole „Hagen schaffts“ nur als Kurzform verstanden werden, die in Analogie zum aktuellen Buch dieses Berliner Hobby-Genetikers eigentlich bedeutet:

Hagen schafft sich ab.

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