Gelbe Säcke im Sommerloch

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Das Sommerloch ist traditionell eine harte Zeit für die Berichterstatter und Kommentatoren. Mit Ausnahme der Stallwachen ist niemand im Lande, Parlamente und Parteigremien tagen nicht, auch der Hagener Rat tritt erst wieder im Oktober zusammen. So wissen die Produzenten der Inhalte bei den Medien häufig nicht so recht, was sie schreiben sollen. Das ist ein Problem.

Der WAZ-Konzern, der in Hagen mit seinen beiden Blättern Westfälische Rundschau und Westfalenpost das Monopol hält, hat sich derweil von einem Großteil seiner Redakteure getrennt. Ob nach dieser Schrumpfkur wenigstens die besseren blieben, ist nicht so klar ersichtlich. Auch das ist ein Problem.

Die Kombination beider Problemzonen kann dann schon einmal zu einer veritablen Falschmeldung führen, deren Urheber noch nicht ganz sicher auszumachen ist, die ihren Weg allerdings inzwischen bis nach Österreich (!) gefunden hat. Aber der Reihe nach.

Am 19.08.2011 erschien bei DerWesten folgender Beitrag, der einen Tag später auch in der Westfalenpost nachzulesen war:

Ehemalige Arbeitslose prüfen Müll in Hagen

Weil oft Dinge in den Gelben Säcken entsorgt werden, die dort nicht hineingehören, kontrollieren jetzt ehemalige Arbeitslose am Wertstoffhof des Hagener Entsorgungsbetriebs den Inhalt der Säcke. Viele Hagener müssen ihre Gelben Säcke wieder mit heim nehmen. (…)

Folie ist in Deutschland nicht gleich Folie, Verpackung nicht gleich Verpackung. Der Müll-Wissenschaftler unterscheidet zwischen Materialien, die den Grünen Punkt, das Emblem des Deutschen Dualen Systems (DSD), besitzen, und solchen, denen diese Markierung fehlt. Im Gelben Sack landen dürfen jedoch nur DSD-Produkte. Deren Entsorgung ist im Verkaufspreis inbegriffen.

Doch in den vergangenen Jahren landeten immer mehr Verpackungen ohne den Grünen Punkt in den Gelben Säcken. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, hat der Hagener Entsorgungsbetrieb (HEB) die Mitarbeiter des Wertstoffhofes jetzt zu erhöhter Wachsamkeit angehalten. „Unsere Leute sollen verstärkt darauf achten, dass kein Müll ohne das DSD-Zeichen abgegeben wird“, erläutert HEB-Sprecherin Jacqueline Jagusch. „Das führt natürlich bisweilen zu Riesendiskussionen mit den Bürgern.“ Es sei aber nicht einzusehen, dass über das vom Verbraucher finanzierte Duale System auch Verpackungen entsorgt würden, deren Hersteller mit Wiederverwertung nichts im Sinn hätten. Deshalb prüfen am Wertstoffhof jetzt ehemalige Langzeitarbeitslose den Inhalt der Gelben Säcke.

Quelle: DerWesten

Dieser Artikel strotzt offensichtlich vor falschen Darstellungen. So weist Kommentator Tagesleser bei DerWesten darauf hin, dass „in diesem Bericht (…) einiges nicht eindeutig geschildert“ ist. Zum Beispiel: „Der grüne Punkt muss seit der 5.Novelle der VerpackV nicht mehr aufgedruckt sein. Der Grund ist, dass der grüne Punkt Eigentum der „Der Grüne Punkt Duales System Deutschland GmbH“ ist aber es gibt eben mehrere duale Systeme.“

Und er fragt sich: „Was sagt der Bericht nun aus? Vielleicht sollte man, bevor ein Bericht in der seriösen Tagespresse erscheint, erst einmal auf die richtige Sachlage überprüfen und Hintergründe recherchieren. Möglicherweise hat der Wirtschaftsbetrieb durch diese Überprüfung der Allgemeinheit Kosten gespart oder aber, der Amtsschimmel hat gewiehert und man hat (diesen) Bürger verärgert.“

Inzwischen hat der Müll-Beitrag des WP-Redakteurs Hubertus Heuel seinen Weg ins ferne Österreich gefunden. Im dortigen Online-Mediendienst Relevant fragt man sich, ob in Hagen jemand die letzten zehn Jahre verpennt hat (Da können wir auch bezüglich anderer Ereignisse in Hagen hinzufügen: Nicht nur einer). Hier ein Auszug:

Die WAZ-Gruppe und der Grüne Punkt-Irrtum in Hagen

Bei der Lektüre eines Artikels der WAZ über ärgerliche Fehlwürfe in Gelben Säcken und Tonnen fragt sich ein Fachredakteur, ob diese Meldung im Jahr 2001 geschrieben wurde und irrtümlich noch heute bei Google News abrufbar ist. (…)

Falls die Story aktuell sei, habe da jemand rund zehn Jahre der Entwicklung auf dem Markt der Verpackungsentsorgung verpennt. Da gab es noch einen Monopolisten für die Sammlung und Sortierung von Verkaufsverpackungen. Kennzeichen der Kölner Firma Duales System Deutschland: Der Grüne Punkt.

Die Zeiten der Alleinherrschaft sind durch Interventionen des Bundeskartellamtes und der EU-Kommission schon lange vorbei. Mittlerweile muss sich der gewinnorientierte Grüne Punkt-Müllkonzern mit acht Konkurrenten um Marktanteile streiten. Da war es nur logisch, dass der Gesetzgeber in der fünften Novelle der Verpackungsverordnung die Kennzeichnungspflicht für Hersteller und Vertreiber in Deutschland abschaffte. Die Beteiligung an einem „Dualen System“ erfolgt nicht mehr durch den Aufdruck des Grüne Punkt-Zeichens.(…)

Warum schreibt dann der WAZ-Redakteur Hubertus Heuel, dass der Müll-Wissenschaftler (welcher Müllwissenschaftler? gs) zwischen Materialien unterscheidet, die den Grünen Punkt besitzen und solchen, denen diese Markierung fehlt.(…)

Heuel zitiert die Pressesprecherin Jacqueline Jagusch mit den Worten: „Unsere Leute sollen verstärkt darauf achten, dass kein Müll ohne DSD-Zeichen abgegeben wird.“ Verpackungen ohne Grünen Punkt könnten ausschließlich an der Müllverbrennungsanlage in Boelerheide abgegeben werden. Gegen zehn Euro Gebühr dürfe jeder Hagener dort eine ganze Kleinwagenladung voll Abfall anliefern.

Ob nun die Pressesprecherin falsch zitiert wurde oder nicht. Im Gespräch mit NeueNachricht dementiert sie diese Äußerungen: „Der Grüne Punkt als Kennzeichen ist überhaupt nicht ausschlaggebend. Entsponnen hatte sich die WAZ-Geschichte, dass jemand Transportverpackungen an dem Wertstoffhof entsorgen wollte. Es ist immer schwierig, diese komplexe Sache jemanden telefonisch klarzumachen. Ich habe mit dem Herrn telefoniert und gesagt, dass unterschieden wird zwischen Transport- und Verkaufsverpackungen. Es handelte sich beim WAZ-Fall um Transportverpackungen eines Buchhändlers“, so Jagusch. Das gehe in die Kategorie „Gewerbeabfall“. „Den kann er bei uns über eine Pauschale anliefern“. Das habe aber nichts mit der Entsorgung über Gelbe Säcke oder Tonnen zu tun. Die Pressesprecherin wolle mit dem Redakteur, der leider im Urlaub sei, noch einmal sprechen und den Sachverhalt richtigstellen.

Quelle: Relevant

Fragt sich also: Wer hat hier „gepennt“? Auf der HEB-Homepage wird jedenfalls darauf hingewiesen, dass sich die Gesetzeslage geändert hat: „Anstatt des Grünen Punktes dürfen nun auch andere beim Dualen System Deutschland lizensierte Systembetreiber Verkaufsverpackungen mit ihren eigenen Logos kennzeichnen. Beispielsweise das Zeichen der Firmen Landbell und Remondis oder das Recycling-Logo der Firma Interseroh. Alle so gekennzeichneten Verpackungen gehören auch weiterhin in den Gelben Sack. Aber auch Verpackungen ohne jegliches Recyclinglogo.“ Auch auf den Abholkarten für die Gelben Säcke ist der Grüne Punkt schon seit einigen Jahren verschwunden.

Einiges spricht also dafür, dass hier der Entsorger richtig liegt und WP-Schreiber Heuel kurz vor seinem Urlaubsantritt kräftig die Phantasie hat spielen lassen. In seinem Beitrag schildert er nicht nur einen (wohl so nicht zutreffenden) Sachverhalt, sondern drapiert auch noch (vermeintlich) wörtliche Zitate einer HEB-Angestellten darum. Die Formulierungen in diesen Aussagen sind so konkret, dass es sich kaum um Verständnisfehler handeln kann.

Etwas anderes geht in dem Artikel völlig unter, nämlich das was die Überschrift verspricht: „Ehemalige Arbeitslose prüfen Müll“. Da wäre es schon von Interesse gewesen, um welche Art von Arbeitsplätzen es sich handelt. Sind es reguläre Stellen, die nach Tarif bezahlt werden, oder „Maßnahmen“ wie beispielsweise 1-Euro-Jobs?

Aber zur Befassung mit diesem Thema fehlte anscheinend die Zeit und der Autor war schon in sein persönliches Sommerloch entschwunden.

Ein Trost bleibt: Der Altpapiercontainer. Darin dürfen auch Zeitungen mit Falschmeldungen entsorgt werden. Noch.

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