Während die Stadt eine Restfläche aufhübschen will, ist nebenan seit Jahren ein Oligarch vertreten
Für die Vermarktung einer vergleichsweise bescheidenen Fläche zwischen dem Neubau der Bahnhofshintergehung und dem Hagener Hauptbahnhof hatte sich die Verwaltung einen hübschen Namen einfallen lassen: „Westside“, in Anlehnung an ein vor 60 Jahren komponiertes Musical von Leonard Bernstein.
Das ist jetzt acht Jahre her und auf dem verbal aufgeladenen Areal hat seitdem nichts getan. Doch „Westside“ war gestern, es heißt jetzt modernisiert „Hagen-Valley“.
Denn Kämpfe zwischen einheimischen Jets und zugewanderten Sharks, wie in Bernsteins West Side Story, spielen sich bestenfalls auf der anderen Seite des Hauptbahnhofs ab. Auch auf der Straße – aber im Wesentlichen in der Phantasie der Redaktionsstuben und einiger Parteihinterzimmer.
Auf dem Brachland hinterm Hauptbahnhof herrscht jedenfalls Friedhofsruhe, nachdem ein Plan abgelehnt wurde, dort eine Mehrzweckhalle zu errichten, die u.a. für Sportveranstaltungen genutzt werden sollte. Die wird, so die aktuellen Planungen, ersatzweise in einem Wohngebiet gebaut. Klagen dagegen sind absehbar.
Während also die aufgeblasene ehemalige „Westside“ vor sich hin dämmert, rückt das direkt angrenzende Firmengelände der Deutschen Edelstahlwerke, ehemals Stahlwerke Südwestfalen, vor dem Hintergrund der russischen Aggression in der Ukraine in den Fokus. Anteilseigner der Stahlwerke ist der Oligarch (so werden hierzulande russische Kapitalisten genannt) Viktor Vekselberg (Foto: Jürg Vollmer).
Vekselberg hält laut FAZ über Beteiligungsgesellschaften 25 Prozent an dem Schweizer Konzern Swiss Steel, dem die Deutschen Edelstahlwerke mit Standorten u.a. in Witten und Hagen gehören. Vekselberg besitzt seit über zehn Jahren indirekt weitere Aktienpakete an den Schweizer Industriekonzernen Sulzer, OC Oerlikon, Medmix sowie dem Immobilienunternehmen Züblin.
2018 kam er wegen seiner Kreml-Nähe auf die Liste der sanktionierten Einzelpersonen des Office of Foreign Assets Control (Ofac) des US-Finanzministeriums. Dadurch wurde es US-Bürgern und Unternehmen mit US-Bezug verboten, mit ihm Geschäfte zu machen, wollten sie nicht selbst zum Business-Paria werden. Auf der EU-Sanktionsliste steht Vekselberg bisher nicht.
US-Behörden werfen dem Oligarchen u.a. vor, sich an einer „weit verbreiteten Erpressung und Geldwäschesystem“ zu beteiligen, „Finanztransaktionen zu verschleiern“ und „in mehreren Ländern Steuerbetrug begangen“ zu haben. Weiter behaupten sie, dass Vekselberg und seine Mitarbeiter bewaffnete Soldaten eingesetzt und russische Gerichtsverfahren korrumpiert haben, um die Kontrolle über ein sibirisches Ölfeld zu erlangen.
Die Neue Zürcher Zeitung scheibt dazu:
„Tiefer fallen als Viktor Vekselberg kann man als internationaler Geschäftsmann kaum. Der Russe, (…) besitzt inner- und ausserhalb Russlands zwar noch immer ein milliardenschweres Vermögen, doch ist er meistenorts zur Persona non grata geworden. Obschon er noch so gerne mit seinen industriellen Beteiligungen, die er nach wie vor auch in der Schweiz hält, jonglieren würde, er kann es längst nicht mehr. Auch in der Kulturwelt will mit dem einstigen Mäzen und Sammler von Fabergé-Eiern niemand mehr zu tun haben.“
Zwischenzeitlich haben Beamte der Guardia Civil und des FBI im Hafen von Palma de Mallorca auch noch die Superjacht «Tango» von Viktor Vekselberg beschlagnahmt. Dazu meldet die Schweizer Handelszeitung:
„Sie lag zur Reparatur im Hafen und sollte demnächst wieder in See stechen. Doch die Spanier informierten die USA, die Anfang Woche zuschlugen. Der unter anderem in Zug wohnhafte Vekselberg steht seit 2018 auf einer Sanktionsliste der USA und ist in seinem Handeln massiv eingeschränkt.“
Der zum Vekselberg-Imperium gehörende Hagener Betrieb auf der „Westside“ blickt auf eine wechselvolle Geschichte zurück. Die ehemaligen Harkort & Eicken Edelstahlwerke GmbH waren seit 1925 Teile des Dortmunder Hoesch–Konzerns. 1946 wurde das Werk Hagen von der Alliierten Militärregierung vom Hoesch-Konzern getrennt und in Stahlwerke Hagen AG umbenannt. 1951 wurde der Betrieb Teil der im gleichen Jahr gegründeten Stahlwerke Südwestfalen AG, die 1984 im Krupp-Konzern aufging. 2005 wurde das Werk an die Schmolz + Bickenbach AG verkauft, die auch schon Vekselberg kontrollierte. Heute ist es Bestandteil der Swiss Steel.
Damit hat ironischerweise ausgerechnet ein mit Vorwürfen aus dem Bereich der Kriminalität konfrontierter Russe Einfluss auf einen Produktionsbetrieb in Wehringhausen, der im Zweiten Weltkrieg zu den wichtigsten Zulieferern für das deutsche Panzerbauprogramm zählte, das sich auch gegen die damalige Sowjetunion richtete.
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