Ein kleiner Tempo-30-Abschnitt soll alle Probleme lösen
Marketing ist alles. „Raider heißt jetzt Twix, … sonst ändert sich nix“ dichtete der US-Nahrungsmittelkonzern Mars 1991 bei der Umbenennung seines Schokoriegels.
Das klappt auch bei uns, dachten sich die Hagener Strategen, und so wurde inzwischen aus der dem bekannten Leonard-Bernstein-Musical entlehnten „Westside“ hinter dem Hauptbahnhof inzwischen das an das kalifornische Silicon-Tal mit den vielen IT-Konzernen erinnernde Phantasieprodukt „Hagen-Valley“.
Nun hat bekanntlich bereits hinter dem Bahnhof bisher weder die rein verbale Kultur- noch die Technikaffinität zu irgendwelchen sichtbaren Ergebnissen geführt, aber schon wird der nächste Sprachtrick in die politische Diskussion eingeführt: Aus der „Lidl-Schule“, die auf dem Dach eines geplanten Discounters an einer der vielbefahrendsten Kreuzungen der Stadt errichtet werden soll, wird die „SkySchool“.
Schöner geht’s nicht. Wenn schon in Bodennähe nichts läuft, warum den Blick dann nicht in den Himmel richten?
Die Verwaltung empfiehlt die Zustimmung des Rates zu diesem Grundschulprojekt, obwohl die Bedenken – Umbennung hin oder her – ja nicht von der Bildfläche verschwunden sind. Verkehrssicherheit, Schall- und Schadstoffbelastung sind nach wie vor problematisch, was auch die Verwaltung einräumt.
„Eine entscheidende Maßnahme für die Umsetzung des Vorhabens“ soll, so die Verwaltung in ihrer Beschlussvorlage (0049-1/2023) die „Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf 30 km/h im Abschnitt des Märkischen Rings zwischen Rathausstraße und Oberer Wasserstraße sowie im Abschnitt der Rathausstraße zwischen Märkischem Ring und Rembergstraße“ darstellen.
Der Fachbereich Öffentliche Sicherheit und Ordnung könne als Verkehrsbehörde Maßnahmen zur Verkehrssicherung anordnen, so die Verwaltung vollmundig. Das könnten beispielsweise Geschwindigkeitsüberwachungen sein.
Eine rein theoretische Annahme, da eine entsprechend stringente Verkehrsüberwachung in Hagen nicht existiert und Geschwindigkeitskontrollen – wenn sie denn mal stattfinden – bereits im Vorfeld bekanntgegeben werden. Die „entscheidende Maßnahme“ basiert also auf reinem Wunschdenken.
Ähnliches gilt für das zugestandene erhöhte Risiko von Unfällen: „Je nach Bauplanung kann eine Abgrenzung des Bürgersteigs zur Straße hin durch ein Geländer oder eine ähnliche Installation sinnvoll sein, um ein Überqueren der Straße an anderer Stelle als den gegebenen Überwegen zu erschweren und das Ansammeln von wartenden Schülerinnen und Schülern vor der Schule auf dem Gehweg zusätzlich abzusichern. Dies würde die Gefahrensituation entschärfen.“
Für den Fall, dass „je nach Bauplanung“ ein Geländer nicht sinnvoll erscheint, hat die Verwaltung auch schon eine Alternative in der Hinterhand: „Als weitere Maßnahme erscheint es aufgrund des Standortes geboten, ein besonderes Augenmerk auf die Verkehrserziehung der Schülerinnen und Schüler zu legen. Das richtige Verhalten im Straßenverkehr offensiv und aktiv mit den Schülerinnen und Schülern und auch gemeinsam mit den Familien zu üben kann helfen, Sicherheit zu geben und dazu beitragen, dass sich Kinder selbstständiger im Stadtgebiet bewegen und lernen, aktiv am Straßenverkehr teilzunehmen.“
Dagegen ist erst einmal nichts einzuwenden. Aber von einer Verkehrserziehung der Autofahrerinnen und Autofahrer, die „lernen, aktiv am Straßenverkehr teilzunehmen“ (was erfahrungsgemäß nur über die Brieftasche funktioniert), ist natürlich keine Rede.
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