Carl oder Karl – auch egal

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Viele Kommunalpolitiker fremdeln nach wie vor mit der Kultur

Carl Baumann - Rote KapelleCarl Baumann, Rote Kapelle Berlin, 1941, Tempera auf Nessel, 79×99 cm. Foto: LWL.

Mit der Kultur ist es so eine Sache. Für viele Hagener Politiker eine eher überflüssige. So darf es auch nicht verwundern, wenn in Sitzungsprotokollen noch nicht einmal Namen richtig geschrieben werden oder ein Zusatz hinzugefügt wird, da die betreffende Persönlichkeit offenbar nicht bekannt ist.

So geschehen jüngst in einer Aufzeichnung der Bezirksvertretung (BV) Haspe. Das Christian-Rohlfs-Gymnasium gab seinen Wunsch bekannt, ein 1932 in dem damals als Hasper Berufsschule dienenden Gebäudes installiertes Fresko des Künstlers Carl Baumann wenigstens teilweise wieder freizulegen.

Allein die Tatsache, dass das Baumann-Werk verdeckt wurde und die Begründung dazu wäre eine Frage wert gewesen. Aber das würde wohl zu hohe Anforderungen an die Bezirksvertreter stellen.

Die BV Haspe ist in der Vergangenheit durch eher grenzwertige Beschlüsse aufgefallen. So hält die Vorstadtcombo nicht etwa Bäume für schützenswert, sondern deren Abholzung. Übrigens mit voller Unterstützung der inzwischen auf Bundesebene zum oliven Tarnfleck mutierten ehemaligen „Grünen“.

Auch mit dem Begriff „Kultur“ können die Bezirksvertreter nur reichlich eingeschränkt etwas anfangen. Außer der Aufstellung von Plastikeseln aus dem Dekoversand war bisher nicht viel zu sehen.

So verwundert auch der Protokollvermerk aus der letzten Sitzung der BV Haspe nicht: „Herr Karl Baumann (Künstler)“. Der Hinweis auf den Beruf Baumanns belegt, dass der Mann der BV offensichtlich gar nicht bekannt war. Die fehlerhafte Schreibweise seines Vornamens („Karl“ statt „Carl“) bestätigt diese Vermutung.

Wichtiger als sachliche Korrektheit ist dem Protokollanten (oder war’s eine Protokollantin?) der modische Einsatz von Gendersternchen: „Schüler*innen, Lehrer*innen und Besucher*innen“. Vor lauter sprachideologischer Versessenheit dürfen die Inhalte gerne auch schon mal hinten anstehen.

Zum Beispiel beim Blick auf die Biographie Carl Baumanns, von dem zahlreiche Werke der Kunst im öffentlichen Raum in Hagen zu sehen sind.

Der 1912 in Hagen-Wehringhausen geborene Baumann studierte an der Kölner Werkkunstschule bei Johan Thorn-Prikker und Richard Riemerschmid, die beide von Karl Ernst Osthaus gefördert wurden. Thorn-Prikker schuf das große Glasbild in der Eingangshalle des Hagener Hauptbahnhofs und Riemerschmid plante die Arbeitersiedlung in der Emster Walddorfstraße.

Im Jahr 1932 kehrte Baumann nach Hagen zurück und arbeitete im elterlichen Betrieb. Nebenbei fertigte er in zehn Wochen als sein erstes Kunstwerk im öffentlichen Raum das jetzt in der BV Haspe thematisierte Fresko.

Von 1936 bis 1941 war er Meisterschüler an der Berliner Akademie der bildenden Künste. Im Herbst 1942 wurde er zusammen mit Mitgliedern der Widerstandsgruppe Rote Kapelle von der Gestapo verhaftet.

Im LWL-Museum für Kunst und Kultur in Münster hängt eines seiner bedeutenden Bilder, die er während seiner Berliner Jahre malte und die vor den Nazis gerettet werden konnten: Rote Kapelle Berlin von 1941.

Schon vor mehr als 30 Jahren, im Juli 1991, erhob das Westfälische Landesmuseum für Kunst und Kultur das im Stil der „Neuen Sachlichkeit“ gemalte Bild zum „Kunstwerk des Monats“.

Das müssen Hasper Bezirksvertreter und ihr Protokollant (oder war’s eine Protokollantin?) nicht notwendigerweise wissen. Aber wenn es schon mal auf der Tagesordnung steht, hätten sich die Damen und Herren vielleicht vorab auch außerhalb ihres Interesses für Plastikesel etwas schlau machen können.

Das war offenbar nicht der Fall. So blieb denn der Wunsch des Christian-Rohlfs-Gymnasiums ohne Beschlussfassung im Raum stehen. Aber Bezirksvorsteher Horst Wisotzki bedankte sich „für diesen interessanten Bericht“. Immerhin.

3 Antworten to “Carl oder Karl – auch egal”

  1. Michael Eckhoff Says:

    Riemerschmidt?
    Thor-Prikker?
    Namen sind schnell falsch geschrieben…

  2. KranichMuss Says:

    Personenkult(ur ?) allerdings ist unter Politikern, aber auch Künstlern und den Menschen im Verhältnis zu diesen immer noch oder verstärkt wieder hoch angesehen.
    Da kann man devot, überschwänglich, höchst albern oder nur urkomisch ( Stichw. Arme in die Luft ! ) sein, teilw. ohne es zu bemerken.
    Und das, obwohl sich diese regelmäßig rein menschlich wie Karl oder Carl Arsch ( und manchmal man selbst ) verhalten.
    Schöne Zeit

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