Der Irrsinn der Hagener Schulpolitik
Die Ratsfraktion der SPD triumphiert: „Klares Votum gegen die CDU und gegen Geldverschwendung“ vermeldet ihr Newsletter zu einem Beschluss des Hagener Stadtrats. Die CDU habe letztlich, „garniert mit einer FDP-Stimme, bei der Abstimmung ganz alleine“ für eine offensichtliche Geldverschwendung gestanden.
Es ging darum, ob Container für die Unterbringung von Schülern gekauft oder nur gemietet werden sollten. CDU und FDP wollten mieten, der Rest des Stadtrats dagegen kaufen.
Mit ihrem Votum für einen Kauf liegt die SPD – erst einmal – gar nicht verkehrt. Bei näherer Betrachtung sieht es allerdings so aus, dass der Fraktion entweder die Kraft oder die Weitsicht oder beides fehlt, die betreffende Angelegenheit zu Ende zu denken. Denn im Kern geht es um die Frage, welchen Sinn es machen sollte, angesichts fehlender Klassenräume städtische Schulgebäude zu privatisieren.
Die Verwaltung hatte vorgeschlagen, für zwei Jahre Container zum Preis von 800.000 Euro zu mieten, um sie an der Geschwister-Scholl-Hauptschule in Boelerheide aufzustellen. Dort sollen die Schülerinnen und Schüler beschult werden, die die Vorhaller Hauptschule räumen müssen. Bekanntlich soll die Privatschule FESH das Gebäude kaufen oder mieten dürfen – so die Ansicht des Hagener Stadtrats.
Der Schulausschuss hatte bereits darauf hingewiesen, dass ein Kauf zum Preis von 1,3 Mio. Euro bei der derzeitigen Situation sinnvoller sei. Die Grundsatzfrage wird dagegen überhaupt nicht mehr gestellt: Warum wird ein funktionierendes städtisches Schulgebäude an Private veräußert, obwohl doch ein Mangel an schulischen Räumlichkeiten besteht?
Die Vorhaller Schule war der FESH seitens der Stadt zum Dumpingpreis von 2,7 Millionen Euro offeriert worden – mehr als 2 Millionen unter dem Buchwert. Auch der jetztige Standort in einem städtischen Gebäude in Wehringhausen ist der Privatschule für schlappe 5 Euro/qm Miete überlassen worden.
Es muss in Politik und Verwaltung starke Förderer für Privatschulen auf Kosten des öffentlichen Schulwesens geben. Bekannt ist bisher nur, dass Christa Stiller-Ludwig, ehemals stellvertetrende Umweltamtsleiterin der Stadt Hagen und früheres Vorstandsmitglied des Kreisverbands Hagen der Grünen nach eigenen Angaben „Gründungsmitglied und Schulträger der Freien Evangelischen Schule Hagen“ ist.
Der Privatschule FESH, deren Träger evangelikale Tendenzen zugeordnet werden, ist bekannt, dass ihre bisher genutzten Räumlichkeiten im früheren Schulzentrum Wehringhausen jährlich gekündigt werden können. Es wäre also Sache der FESH gewesen, sich rechtzeitig um ein neues Gebäude zu kümmern – und nicht Aufgabe der Stadt.
Verwaltung und Politik haben aber offensichtlich nicht besseres zu tun, als der FESH ein Schulgebäude im besten Zustand zu offerieren und die dort bisher beschulten Kinder und Jugendlichen zukünftig in Containern zu parken.
Die SPD hätte einen Punkt machen können, wenn sie den Verkauf kommunaler Schulen (oder die Vermietung – die FESH kann wohl inzwischen mangels Masse nicht mehr kaufen) grundsätzlich in Frage gestellt hätte und auf der Erhaltung des Bestands städtischer Schulgebäude beharrt hätte.
Das hat sie aber nur halbherzig versucht. Im März 2022 stellte die Fraktion den Antrag, Verkäufe sollten „überdacht und zunächst zurückgestellt“ werden. OB-Allianz und AfD lehnten mit ihrer Mehrheit ab.
Vier Monate später wurde die Verwaltung per Dringlichkeitsbeschluss beauftragt, die Container-Beschaffung vorzubereiten. Ob Miete oder Kauf blieb zu diesem Zeitpunkt noch offen, aber die grundsätzliche Linie war damit vorgezeichnet: Eine öffentliche Schule wird unter Wert an Private verscherbelt – die Schüler kommen in Container.
Für einen Dringlichkeitsbeschluss bedarf es laut Gemeindeordnung zweier Stimmen: Der des Oberbürgermeisters (in diesem Fall war es dessen Stellvertreter Christoph Gerbersmann) und der eines einzigen Ratsmitglieds.
Diese zweite Stimme lieferte ausgerechnet der Fraktionsvositzende der SPD, Claus Rudel. Einen Monat später erteilte dann der Stadtrat einstimmig, also mit den Stimmen der SPD, die notwendige Genehmigung für den Dringlichkeitsbeschluss.
Den Widerstand gegen die Privatisierung kommunaler Schulgebäude hatten die Sozialdemokraten damit – trotz des eklatanten Mangels an Klassenräumen – aufgegeben.
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