Wenn Führung vergiftet

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Dr. Christian Julmi von der FernUniversität in Hagen erklärt, an welchen Merkmalen zerstörerische Führungsform zu erkennen ist

Ständig kommen Chef oder Chefin mit dringenden Aufgaben kurz vor Feierabend. Überstunden sind im Unternehmen allerdings nicht gerne gesehen. Wer trotzdem ganz pflichtbewusst länger bleibt, muss sich vielleicht am nächsten Tag den Vorwurf anhören, nicht gut genug zu sein, um den Arbeitsauftrag in der vorgesehenen Arbeitszeit erledigen zu können.

„Dabei können Mitarbeitende in dieser Situation gar nicht richtig handeln“, weiß Dr. Christian Julmi von der FernUniversität in Hagen. Hier müssen zwei Leistungsanforderungen erfüllt werden, die sich gegenseitig widersprechen: Einerseits kurz vor Feierabend wichtige Aufgaben erledigen, andererseits dafür bitte keinesfalls Überstunden anhäufen. Die Mitarbeiterin oder der Mitarbeiter sitzt in der Falle.

„Das Heimtückische an diesem Führungsstil ist: Egal für welche der beiden Anforderungen Sie sich entscheiden, Sie können es der Führungskraft nicht rechtmachen.“ Manche setzen die Widersprüchlichkeiten sogar bewusst ein, um Beschäftigte zu verunsichern. Julmi nennt das einen paratoxischen Führungsstil. Paradox sind die Anforderungen und toxisch ist deren zerstörerische Wirkung. Mit dieser giftigen Seite von Führung hat sich Julmi im Rahmen seiner Habilitation auseinandergesetzt.

Für Mitarbeitende kann das Verhalten ihrer Vorgesetzten verheerende Folgen haben. „Wer ständig das Gefühl hat, nichts richtig zu machen, fühlt sich irgendwann überfordert und ausgebrannt, überträgt die Fehler der Organisationskultur auf sich selbst.“

Das sei oft der erste Schritt in eine psychische Abwärtsspirale, aus der es schwer ist, alleine wieder herauszukommen. „Betroffene halten sich irgendwann selbst für inkompetent. Bei jedem erneuten Scheitern suchen sie die Schuld bei sich selbst“, was starke psychologische Folgen haben kann, die weit über ein Burnout hinausgehen.

Julmi betreibt Grundlagenforschung auf einem sehr jungen und sehr kleinen Forschungsgebiet. Er hofft auf weitere Arbeiten, die seine Ergebnisse aufgreifen und überprüfen.

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