Buchtipp: „Nachhaltige Mobilität für alle“ des Wuppertal Instituts
Die Verkehrswende in Hagen hakt bekanntlich an allen Ecken und Enden. Zwar wurde der Busfahrplan entscheidend verbessert, was aber genau genommen nur eine ungefähre Wiederherstellung der Verhältnisse aus der Zeit vor den vom Stadtrat beschlossenen Kürzungsorgien im Rahmen der „Sparpakete“ war.
Positiv zu vermerken ist die Einführung von Busspuren auf der Körnerstraße oder die Planung eines Radwegs auf der Bahnhofstraße als wichtige Verbindung zwischen Hauptbahnhof und Stadtzentrum. Damit haben sich die relevanten Aktivitäten dann aber auch schon erschöpft. Die jetzt eingeführten Tretroller in Haspe mögen vielleicht den Spieltrieb einiger Akteure aus Politik und Verwaltung befriedigen – verkehrspolitisch sind sie nutzlos und werden noch viel Ärger auf den Fußwegen verursachen.
Dabei ist das Leitbild der auch in Hagen eigentlich bis heute hochgehaltenen autogerechten Stadt längst überholt. Klimaschutz und Lebensqualität müssten im Vordergrund stehen statt eine fortgesetzte Bevorzugung zunehmend hochgerüsteter Autoflotten, die für Millionen Menschen ohne Auto Belastungen und Mobilitätsnachteile bedeuten. Städte wie Kopenhagen, Paris, Oslo oder Freiburg machen es vor: Sie planen eine moderne und zukunftsgerichtete Mobilität, die den Menschen gerecht wird und setzen sie konsequent um.
Aber wie lässt sich das Verkehrssystem sozial-ökologisch und gleichzeitig fair für alle umgestalten? Das Autorenteam des neuen Buchs „Nachhaltige Mobilität für alle“ ist sich einig: Vor allem der öffentliche Nah- und Fernverkehr, Sharing-Systeme sowie der Rad- und Fußverkehr müssen massiv ausgebaut und gefördert werden. Wenn dadurch weniger Menschen auf das Auto angewiesen sind, ließe sich der Autoverkehr halbieren.
Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, muss auch der Verkehr seine CO2-Emissionen auf Null bringen. Jedoch verharren diese seit 30 Jahren auf unverändert hohem Niveau. Höchste Zeit für eine längst überfällige Verkehrswende, bei der Klimaschutz und Lebensqualität im Vordergrund stehen, betont das Autorenteam – darunter Prof. Dr. Peter Hennicke, Prof. Dr.-Ing. Oscar Reutter, Thorsten Koska, Jana Rasch und Dieter Seifried.
Doch wie lässt sich Mobilität für alle gerecht und fair gestalten? Notwendig sei dafür eine radikale sozial-ökologische Transformation des Verkehrssystems, macht das Autorenteam deutlich. „Ziel muss es sein, nachhaltige Mobilität durch umweltverträgliche Verkehrsformen zu sichern und einen fairen Zugang zu Mobilität für alle zu schaffen. Dies ist nicht nur möglich, sondern bietet auch die Chance die Hälfte der Autoflotte überflüssig zu machen“, sagt Prof. Dr. Peter Hennicke, Senior Advisor am Wuppertal Institut.
Erreichen ließe sich dies durch eine engagiertere und integrierte Verkehrspolitik von Bund und Europäischer Union, die Maßnahmen auf kommunaler Ebene stützt und eine nachhaltige Mobilität für alle in Stadt und Land befördert.
„Eine wirkliche Verkehrswende mit dichtem Bahnnetz und modernen Mobilitätsdienstleistungen schafft neue, nachhaltige Geschäftsfelder und Arbeitsplätze. Digitalisierung hilft dabei, diese Potenziale zu erschließen“, ergänzt Thorsten Koska, Mitautor des Buchs und Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik am Wuppertal Institut. Die verbleibenden Autos müssten effizienter und kleiner sein und mit erneuerbarem Strom angetrieben werden. Sharing-Systeme schaffen Flexibilität und ermöglichen es, die gleiche Mobilität mit weniger Autos bereitzustellen.
Die riesigen Maßnahmenprogramme, die in der Corona-Pandemie auf den Weg gebracht werden, bieten enorme Gestaltungschancen für eine faire und klimagerechte Verkehrswende. Die hiermit gesetzten Impulse müssen aber konsequent fortgesetzt werden, um eine nachhaltige Wirkung erzeugen zu können.
Prof. Dr.-Ing. Oscar Reutter, Co-Leiter des Forschungsbereichs Mobilität und Verkehrspolitik am Wuppertal Institut, ist sich sicher: „Die Vielfalt und das Engagement der verkehrspolitischen Initiativen auf kommunaler Eben und die in immer mehr Städten erzielten konkreten Erfolge sind Hoffnungszeichen, dass die über Jahre verschleppte Verkehrswende jetzt tatsächlich umgesetzt werden kann.“
In Hagen sind die Hoffnungszeichen allerdings noch recht rar gesät.
Download: Nachhaltige Mobilität für alle (pdf)
Oder als Buch:
Peter Hennicke, Thorsten Koska, Jana Rasch, Oscar Reutter, Dieter Seifried: Nachhaltige Mobilität für alle, Ein Plädoyer für mehr Verkehrsgerechtigkeit, Oekom Verlag, München, 2021, 432 Seiten
Buchpreis: 28,00 Euro (D), ISBN 978-3-96238-279-7
29. November 2021 um 19:22 |
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