von Christoph Rösner
Was war? Was kommt? Wer weiß das schon genau? Wir meinen, zu wissen, was war. Aber war das, was wir zu wissen meinen, auch wahr? Wahr im Sinne von authentisch, nachprüfbar, falsifizierbar?
Oder war das, was wir als wahr angenommen haben, nichts als gemachte Wahrheit, von der wir glauben, dass nur sie die ganze sein kann?
Fragen über Fragen am Ende eines Jahres, das wir so wohl noch nicht erlebt haben. Wahr ist wohl, dass sich das, was wir irgendwie überstanden zu haben glauben, sicher noch steigern lässt. Weil sich ja alles ins Unendliche steigern lässt: das Wachstum, die Renditen, die Aktiengewinne, der Profit … und eben auch der Irrsinn, die Paradoxien, die wir nur durch hektisches Nochmehr auszuhalten versuchen, weil man uns ja geschickt und allmächtig zwingt, dem Glücksversprechen hinterher zu hecheln, während sich Neofaschisten im bunt-schillernden Kostüm der Demokraten aufmachen, alles mühsam erlernte Wahre ins Gegenteil zu verkehren.
Von Dresden bis Washington, von Warschau bis Budapest, von Russland bis Pjöngjang werden neue Wahrheiten generiert, die wir fressen sollen. Bei unseren Luxusgütern und verdreckten Lebensmitteln funktioniert es ja schon blendend. Und auch sonst – schöne Bildchen auf Facebook oder Instagram, wunderbare Sinnsprüche für den Tag oder das Leben oder den Tod, egal, irgendeiner wird´s schon posten, dieses Gutgefühl für Sekundenbruchteile. Deshalb gibt es auch so viele davon.
Dauerfeuer aus der Wohlfühlflak.
Denn Denken darf nicht ablenken vom Eigentlichen. Denken macht unabhängig. Denken kann sogar frei machen. Und wer wollte sich schon freiwillig die glitzernden Ketten des Ichwillalles abstreifen? Wir kriegen doch alles. Unsere von blödbunt verkleideten Boten auf die Couch geknallten matschig-weichen Pizzen oder Fleischspieße oder Frühlingsrollen oder fetttriefende Schnitzel mit Sauce aus Plastikkübeln oder, oder … lauwarm serviert und drapiert auf schickem Styroporgeschirr.
Unsere Läppchen, Hemdchen, Schälchen, Höschen, billig und giftig zusammengestoppelt irgendwo JWD zum schnellen Strip für die anschließende und – bitteschön – baldige Entsorgung im Altkleidercontainer – fürs gute Gewissen.
Unseren Dekokrempel, der die Weihnachtsmärkte, Schaufenster und Köpfe überquellen lässt. Auch der muss irgendwo aus irgendwas hergestellt worden sein.
Aufstand gegen diesen Wahnsinn? Mit wem denn, bitteschön? Aufstand? Mit solchen degenerierten Pfeifen, die nur aufmucken, wenn der Akku ihres Handys sich nicht schnell genug aufladen lässt?
Die nicht einmal dann aufmucken, wenn kriminelle Autobauer ihnen Dreckschleudern als mobile Sauerstoffgeräte unterjubeln.
Aufstand? Mit solchen Typen?
Selten war mehr Notwendigkeit zum Aufstand als jetzt.
Und genauso selten war Aufstand machbar wie jetzt.
Dafür habt Ihr gesorgt, Ihr übelsten aller Dealer. Ihr habt Eure Junkies an der Leine und lasst sie nicht wieder los.
Aber, und das muss man Euch voller Bewunderung konzedieren, Ihr habt es fertiggebracht, dass sie es lieben, an Eurer Leine gehen.
An Euren Fraß habt Ihr sie gewöhnt. Sie tragen am Leib, was Ihr ihnen darauf schneidert. Sie schenken Euch freiwillig ihre intimsten Daten. Sie amüsieren sich zu Tode in Eurer Amüsiermaschinerie. Sie schrappen mit kleinstadtgroßen Kähnen vorbei an den Elendsvierteln der Welt, vollgefressen und lallend beim Kaptain`s Dinner – die Fotos vom Luxusfraß gleich online – und ein paar Münzen für die niedlichen Negerkinderlein sind selbstverständlich inklusive.
Und mit der bunten Leine um den Hals arbeiten sie sich für Euch krumm und blöd, um danach wieder Euren Dreck fressen, Eure Lappen anziehen, Euch noch mehr Daten schenken und sich noch mehr amüsieren zu können auf immer größer werdenden Gigalinern der Meere, die pro Fahrt Berge von Dreck rauslassen – aber immer gut geschminkt und mit halbmondlosen, neonlackierten Fingernägeln.
Derweil Ihr in Euern Tempeln am Rande der Welt Euch halbtot lacht – leider nur halbtot – über das Konsumvieh, das Ihr so schön, so wunderbar und so nachhaltig domestiziert habt.
Wachstum in Deutschland funktioniert auch ohne Regierung. Die Zahlen sprechen Bände. Denn wer will noch ernsthaft regiert werden von dauersondierenden Dilettanten und Wortbrechern?
Das Regiment haben längst andere übernommen. Und die Ikone all dessen regiert nun mit dem verlässlichen Instinkt des Kapitals und der Schamhaftigkeit einer abgehalfterten Nutte das Capitol in Washington. Weit habt Ihr es gebracht. Ihr könnt stolz auf Euch sein, Dealerpack des Mammons!
2018? Was soll schon werden? Ihr werdet weitermachen. Wir werden weitermachen. Aufstand? Niemals! Keine guten Aussichten also? Nein. Keine guten Aussichten, sorry – und – Frohes Neues Jahr!
1. Januar 2018 um 13:04 |
Das kann ja (noch) heiter(er) werden… Ja, der Geist der Zeit – mitsamt Mainstream und seinem Konformismus – weht übel, wenn auch manchmal recht versteckt, hier in ausgefeilter Prosa mit poetischen Anflügen dargeboten.
Im einzelnen einzugehen ( so weit möglich ), würde zu komplex und hier den Rahmen sprengen.
Nur eins noch : Künstler, Künstlerszene und – kreise, denen Eitelkeiten, Egozentrik und Exzentrik weiß Gott nicht fremd sind – wobei natürlich zwischen Rolle und Mensch zu unterscheiden ist – können nicht außen vor bleiben. Beispielsweise gibt es die schönsten Lieder mit tollsten, nahegehenden Inhalten, und wenn man auf das Privatleben der Protagonisten schaut (soweit mehr oder minder in der Distanz zugänglich), kann einem manchmal richtig schlecht werden.
Es geht wohl letztlich um das, was im täglichen Leben, im Alltag tatsächlich gelebt wird oder ? Und da ist es dann auch die bekannte Frage bei Jedem (!) “ was ist mit mir selbst ? „. Und wenn es hochkommt, kann man sogar dem, wohl der Psychologie entstammenden, sinngemäßen Satz “ ( Fast ) jedes Motiv entspringt dem Ego “ nähertreten ( so es denn gelingt ).
Ich teile Ihre betrübliche Prognose, Herr Rösner, und hoffe – vermutlich mit Ihnen -, daß sie sich soo nicht bewahrheitet. Mal sehen…
Ein, pardon, gutes neues Jahr
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