Bernhard Sander: NRW vor den Landtagswahlen III
Städte und Kreise in NRW ächzen unter den Lasten, die ihnen Strukturwandel, Steuergesetzgebung und soziale Not aufbürden. Doch sind diese Rahmenbedingungen in letzter Hand politisch gestaltet. Die Landesregierung hatte sechs Jahre Zeit, diese Last zu lindern. Zentraler Hebel gegen den Verfall öffentlicher Infrastruktur und für mehr soziale Dienstleistungen sollte das Gesetz zum Stärkungspakt Stadtfinanzen sein.
»Dass eine Rückführung des Investitionsstaus aus eigener Kraft kaum wird gelingen können, belegen insofern auch die besorgniserregenden Haushaltsdaten eines Großteils der NRW-Kommunen. So zeigt etwa die aktuelle Haushaltsumfrage des Städte- und Gemeindebundes NRW unter seinen 359 Mitgliedskommunen, dass nur 49 Mitgliedskommunen einen strukturell ausgeglichenen Haushalt erreichen. Damit sind lediglich 13,65 Prozent der Mitgliedskommunen in der Lage, den eigentlich von der Gemeindeordnung als Normalfall geforderten Zustand erreichen zu können«, stellt der NRW-Städtetag fest. [1]
»Spätestens seit der signifikanten Absenkung des Verbundsatzes des kommunalen Finanzausgleichs zu Beginn der Achtzigerjahre – also seit mehr als drei Jahrzehnten – befinden sich insgesamt zu wenige Mittel ›im System‹. Im Zeitraum 1982 bis 2017 dürften den Kommunen in Nordrhein-Westfalen ca. 60 Milliarden Euro entzogen worden sein.« Mit dem Eintritt in die neoliberale Glaubensgemeinschaft haben also alle bisherigen Landesregierungen, gleich welcher Couleur, an der Austrocknung der Kommunalfinanzen mitgewirkt. Hinzu kommen die diversen Steuer»reformen« auf Bundesebene.
Die Landesverwaltung hält an dem Glaubenssatz fest, dass »die heutigen Bedürfnisse nicht über die Lasten künftiger Generationen zu stellen« seien. Sie blendet damit aus, dass durch die Ausgabenkonsolidierung der öffentliche Kapitalstock dem Verfall anheimgegeben wird. So werden soziale Schulden zulasten der Zukunft aufgehäuft, wenn die kommenden Jahrgänge unter einer verfallenen Infrastruktur ächzen werden. Die »Schwarze Null« entpuppt sich als schwarzes Loch, das alles aufsaugt. (…)
Der Verfall des öffentlichen Kapitalstocks schreitet voran. Der Investitionsbedarf steigt und führt zwischen den Kommunen zu Disparitäten in den Lebensbedingungen.
In einer Stellungnahme [2] hat der Städtetag das Problem umrissen: »Die Situation lässt sich bereits anhand einer Zahl eindrücklich verdeutlichen: Das ›KfW-Kommunalpanel 2016‹ hat einen kommunalen Investitionsrückstand in Höhe von 136 Mrd. EUR bundesweit ermittelt. Im Vergleich zum Vorjahr ist der Rückstand trotz guter konjunktureller Rahmenbedingungen und historisch einmalig günstiger Finanzierungsbedingungen wiederum gestiegen.«
Durch die neoliberale Ausdörrung der Verwaltungen sind solche Planungskapazitäten systematisch abgebaut worden, sodass Landesmittel nicht abgerufen werden können. Die Kommunen können aus Gründen der Wirtschaftlichkeit nicht Personal in den Planungsämtern für den Eventualfall vorhalten, dass es plötzlich seitens des Bundes oder Landes im großen Umfang Mittel für die Finanzierung von Sachinvestitionen gibt. Auch die Entwicklung von Plänen »auf Vorrat« kommt nur bedingt in Betracht, da sich bau- und vergaberechtliche Anforderungen (z.B. Gebäudedämmung, Barrierefreiheit, das Tariftreue- und Vergabegesetz (TVgG), das Nachhaltigkeitsaspekte in der öffentlichen Auftragsvergabe im Land verankert) laufend ändern. (…)
Allerdings spielt die Lage in Städten und Kreisen kaum eine Rolle im Wahlkampf. Das Bündnis von Bürgermeistern und Kämmerern »für die Würde der Städte« findet bisher wenig Resonanz in seinen ökonomischen Forderungen nach einem Altschuldenfonds. Die Forderung des Städtetages, das Land müsse sich stärker an den Integrationskosten beteiligen, wird offenbar von allen Parteien ignoriert. (…)
Quelle: westLINKS
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