In der Hagener Stadthalle wurde am 17.2. die Veranstaltungsreihe „Wirtschaftspolitik im Strukturwandel“ in der DGB Region Ruhr-Mark abgeschlossen. Nach einer Begrüßung durch die stellvertretende Vorsitzende des DGB Hagen und IGBCE-Kollegin Ruth Schäfer absolvierten die TeilnehmerInnen ein ambitioniertes und interessantes Programm.
Jochen Marquardt, DGB-Geschäftsführer der Region bilanzierte den Verlauf der Reihe in den verschiedenen Orten der Region und rief wesentliche Ergebnisse der Vorträge und Diskussionen in Erinnerung. Gestartet waren die Gewerkschaften im November 2014 in der IGM Bildungsstätte in Sprockhövel. Dr. Ute Lippert vom DGB-Bundesvorstand erläuterte dort die Megathemen in der aktuellen Debatte der Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit. Der demografische Wandel, die Digitalisierung der Arbeit und die Herausforderungen der Energiewende fanden dann in 2015 auch folgerichtig ihren Niederschlag in den anschließenden Veranstaltungen.
In seinem Einstiegsreferat zur Abschlussveranstaltung ergänzte Jochen Marquardt in Hagen den kurzen Rückblick auf die gelaufenen Veranstaltungen mit aktualisierten Arbeitsmarktdaten für die Städte und Kreise der Region.
Zu Beginn stellte er fest, dass die gestiegene Zahl sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung genauer zu betrachten sei, da der zahlenmäßige Zugang an Arbeitsplätzen die Gesamtrealität nicht präzise darstelle. Der Aufbau an Beschäftigung fand vor allem im Teilzeitbereich und oftmals in atypischen und prekären Beschäftigungsverhältnissen statt. Gleichzeitig ist lediglich im Märkischen Kreis ein erkennbarer Abbau der Erwerbslosigkeit festzustellen. Obendrein besteht in allen Städten und Kreisen ein starkes Missverhältnis zwischen Stellenangeboten und Arbeitssuchenden.
Auch bei den Ausbildungsplätzen ist die Angebotsseite weit hinter den Erfordernissen geblieben. Selbst im Märkischen Kreis, in dem die Daten einen Überhang von Stellen gegenüber den Bewerberzahlen ausweisen, münden nicht mal 50% der BewerberInnen in eine duale Ausbildung. Demzufolge wurde als Zwischenfazit gezogen, dass große Anstrengungen zu unternehmen sind, die Zahl guter Arbeitsplätze deutlich zu erhöhen und vor allem bei den Ausbildungsplätzen viel mehr Druck auf Wirtschaft und Unternehmen entwickelt werden muss.
Dafür gilt es, die Investitionsbereitschaft von Unternehmen und öffentlicher Hand, z.B. für Infrastrukturpolitik und nachhaltige Energiewirtschaft zu verbessern und auszubauen, sowie über eine aktive Tarifpolitik die Einkommen der Beschäftigten zu erhöhen, um die erforderliche Kaufkraft zu schaffen.
An dieser Stelle wird oftmals die Schuldensituation der Städte und Kreise aufgeführt, die diese Konjunkturmaßnahmen verhindere. Deshalb galt der nächste Blick des Vortrages den Haushalts- und Finanzlagen in der Region. Über den Zeitraum von 2004 bis 2013 haben sich in allen Städten und Kreisen die Schulden erheblich erhöht, während logisch und gleichzeitig die Vermögen konzentriert auf Wenige gestiegen sind.
Als Grundlage für die Entwicklung wurde die wachsende Kluft zwischen Gewinnen und Vermögen und unzureichenden Arbeitnehmereinkommen deutlich herausgearbeitet. Vor allem die steuerpolitischen Entscheidungen der vergangenen Jahre haben dazu beigetragen, dass die Verteilungsgerechtigkeit vollends aus den Fugen geraten ist und die erforderlichen finanziellen Mittel für die Kommunen und Kreise sowie Konnexitätsverletzungen zu der desaströsen Lage vor Ort führten. Allein in den Jahren 2000 – 2013 sind auf der Ebene des Bundes und der Länder Steuerausfälle von fast 500 Mrd. Euro zu beklagen.
Vor den dargestellten Entwicklungen wurden u.a. Handlungserfordernisse für gute Arbeit als Aufgabenstellung abgeleitet. Dabei soll es darum gehen, die Veränderungen in der Industrie- und Dienstleistungsstruktur genauer zu untersuchen, die Prozesse veränderter Betriebsstrukturen zu analysieren und die regionale Prägung unter Berücksichtigung der starken Wissenslandschaft, großer Flexibilität und hoher Integrationsfähigkeit in den Aufgaben gesellschaftlicher Verantwortungsübernahme zu verknüpfen.
Für den DGB-Geschäftsführer sind dabei große regionale Potenziale zu heben, die er aus der Innovationskraft und Qualifizierungsbereitschaft ableitete und zu der er mehr Vernetzung und Kooperation einforderte. Nicht zuletzt muss es darum gehen, die Attraktivität der Städte und interkommunale Zusammenarbeit ernsthaft und mit neuen Ideen anzugehen.
Im Anschluss an die umfangreiche Datenvorstellung und Lage der Region nutzte Achim Vanselow für den DGB-NRW die Gelegenheit, das landesweite DGB-Programm „NRW 2020“ vorzustellen. Dabei orientierte er sich nicht zuletzt an den Schwerpunkten der Veranstaltungsreihe der Region und stellte inhaltliche Bezüge her. Für ihn standen dabei im Mittelpunkt, richtige Erkenntnisse in betriebliche und politische Handlungsperspektiven zu entwickeln und vor Ort Beiträge zu der Zielstellung von 500.000 zusätzlichen Arbeitsplätzen in Nordrhein-Westfalen zu organisieren.
Der Start des Programms in den Kreisen und Städten sei gut angelaufen und in vielen Strukturen fänden bereits interessante Debatten um Umsetzung und Erarbeitung von Forderungen statt. Auf die erste Bilanz in Jahr 2017 dürfe man gespannt sein.
In den anschließenden Workshops ging es darum, Kriterien für Gute Arbeit zu benennen, besondere Schwierigkeiten der jeweiligen Städte und Kreise zu diskutieren, sowie Ideen und Vorschläge zu sammeln, wie denn die Arbeit in den örtlichen Gremien angegangen werden kann und zu nachhaltiger Umsetzung geführt wird. In dieser Phase standen die Abwanderung der Großindustriebetriebe, die marode Infrastruktur und die Flüchtlingsintegration im Zentrum der Diskussionen, die nun vor Ort weiter entwickelt werden müssen.
Schlussendlich war es eine gute und notwendige Veranstaltungsreihe für die Region und viele Kolleginnen und Kollegen haben sich an den unterschiedlichen Orten beteiligt. Dabei war ein wesentliches Merkmal der Reihe der gemeinsame betriebliche und gesellschaftspolitische Blick als Diskussionsbasis für zukunftsorientierte Gewerkschaftsarbeit. Die Ergebnisse werden noch einmal zusammengetragen, damit dann vor allem die Stadt- und Kreisverbände in die weitere konkrete Arbeit einsteigen können. Die Region wird diese Prozesse sowohl begleiten als auch immer wieder neue Anstöße in die Diskussion bringen.
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