Der Fake von Paris

„Lügenpresse“ wurde gerade zum Unwort des Jahres gekürt. Es war ein Kampfbegriff der Nazis und vorher schon im Jargon deutschnationaler Bürgerlichkeit bestens verankert.

Jetzt ist die „Lügenpresse“ wiedergekehrt als eine zentrale Parole der Extremisten in der Mitte der Gesellschaft, die sich zusammen mit dem braunen Rand in der fremdenfeindlichen und vor allem islamophoben Pegida-Bewegung manifestiert.

Leider trägt die „Lügenpresse“ selbst einiges dazu bei, diesem Namen gerecht zu werden und gießt damit Wasser auf die Mühlen des Dumpfbackentums. Jüngstes Beispiel ist die Berichterstattung über den Aufmarsch von mehr als 40 Staats- und Regierungschefs anlässlich der Proteste gegen den Terroranschlag in Paris.

Dabei erweckten die Medien quer durch die Bank den Eindruck, die führenden Politiker seien – vereint mit dem Volk – dem Demonstrationszug mit mehr als einer Million Teilnehmer vorangeschritten. Dem war aber nicht so.

Die Politgrößen führten keineswegs die Demonstration an, sondern posierten abgesondert in einer Nebenstraße für die Kameras der internationalen Berichterstatter und Fotografen. Nicht mit dem Volk, sondern abseits vom Volk in einer arrangierten Inszenierung.

Dem gemeinen Zeitungsleser und Fernsehzuschauer wurde dieses Schauspiel – quer durch die Medienlandschaft – ganz anders verkauft; etwa so wie in der Hagener Westfalenpost. Die titelte am Montag: „Die Welt vereint gegen den Terror“, illustriert mit einem ähnlichen Foto wie ganz oben zu sehen. Im Artikel behauptete das Blatt:

Bei einer der größten Kundgebungen der Nachkriegszeit haben 1,5 Millionen Menschen in Paris zusammen mit Staats- und Regierungschefs dem Terrorismus ihre Solidarität entgegengesetzt. Frankreichs Präsident François Hollande und Kanzlerin Angela Merkel starteten gestern untergehakt zum großen Marsch im Zentrum der Hauptstadt. (…)

An dem Solidaritätsmarsch nahmen unter anderem auch Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, Palästinenserchef Mahmud Abbas sowie der ukrainische Präsident Petro Poroschenko teil. Tausende Polizisten und Soldaten sicherten den Marsch.

Aus heutiger Sicht eine Falschinformation (siehe das zweite Foto). Auch die Tatsache, dass einige Staatenlenker bei den Untergehakten zu finden waren, in deren Machtbereich die Pressefreiheit nicht gerade ganz oben auf der Agenda steht, wie beispielsweise im Ungarn des Victor Orban, wird den Lesern in dem Artikel vorenthalten.

Für die Separierung der Politiker gibt es natürlich gute Argumente, die mit Sicherheitsaspekten zu tun haben. Warum wurde nicht auf diesen Zusammenhang hingewiesen und stattdessen eine Märchenaufführung präsentiert? Ein Verweis auf das Sicherheitsproblem wäre einleuchtend gewesen.

Es gibt allerdings keinen nachvollziehbaren Grund dafür, dass die Medien ein Bild wiedergeben, das mit der Realität nichts zu tun hat und den Vorwurf der „Lüge“ geradezu bestätigt. Die bereitwillige Unterordnung unter die von den PR-Abteilungen der Regierungsapparate entwickelten Propagandastrategien ist jedenfalls nicht als solcher „Grund“ zu akzeptieren.

Fotoquelle: Spiegelkabinett, dort auch weitere Informationen zur Paris-Berichterstattung in ARD und ZDF