„Ein Ding der Unmöglichkeit“

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Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch
Friedrich Hölderlin

Rat beschließt Resolution an die Landesregierung

Langsam, ganz langsam scheint sich in den Hagener Rat die Erkenntnis einzuschleichen, dass im Hinblick auf die enorme Verschuldung der Stadt externe Faktoren eine wesentlich größere Rolle spielen, als es in der offiziellen Sprachregelung bislang vorgesehen war.

So lässt sich – jedenfalls mit viel Wohlwollen – eine gemeinsame Resolution aller Fraktionen verstehen, die der Rat am Donnerstag mit Zielrichtung Landesregierung verabschiedete.

Der Rat „appelliert“ darin an Düsseldorf, das Stärkungspaktgesetz im Falle von externen Verschlechterungen zu lockern. Und fügt – Asche auf unser Haupt! – schnell hinzu, dass das selbstverständlich nicht für angeblich „selbst verursachte Verschlechterungen“ gelte.

Überhaupt sind Wattebäuschchen die bevorzugten Wurfgeschosse. Es wird nicht etwa gefordert, von dritter Seite – also beispielsweise Bund und Land – verursachte Belastungen komplett aus den Vorgaben des Landes herauszunehmen. Nein, man bittet untertänigst um eine geringfügige Verlängerung des sogenannten Ausgleichszeitraum um ein Jahr. Der ausgeglichene Haushalt soll nicht schon 2016, sondern erst 2017 erreicht werden.

Auch die Liste der externen, von der Stadt nicht zu beeinflussenden Faktoren ist lückenhaft. Erwähnt werden die Einbrüche bei der Gewerbesteuer, steigende Sozialkosten und die jüngste Tariferhöhung. Nicht aber die Auswirkungen der „Reformen“ der letzten Bundesregierungen im Steuerbereich auf die Gemeinden und schon gar nicht die Folgen der „Schuldenbremse“, die noch auf die Kommunen zukommen werden.

Im letzten Absatz der Resolution gibt es dann doch noch eine kleine Überraschung: Sollte es eigentlich schon eine Verschiebung der Deadline auf 2017 richten, so fällt den Autoren gerade noch rechtzeitig ein: „Nach den Vorgaben des Stärkungspaktgesetzes müssen die Haushalte ab 2016 in jedem Jahr ausgeglichen sein. Die Stadt Hagen wäre damit verpflichtet, derartige Schwankungen der Steuereinnahmen innerhalb eines Jahres auszugleichen. Ein Ding der Unmöglichkeit!“

Da bleibt nur der schwache Trost: Auch eine späte Erkenntnis ist ein erster Schritt auf dem Weg zur Besserung.

Die Resolution im Wortlaut:

„Keine Ausgleichspflicht für externe Verschlechterungen“

Der Rat der Stadt Hagen appelliert an die Landesregierung, die Vorgaben des Stärkungspaktgesetzes im Falle von externen Verschlechterungen zu lockern.

Der Rat der Stadt Hagen ist der Auffassung, dass bei der Genehmigung von Haushaltssanierungsplänen nur die Einhaltung der von der Stadt Hagen selbst beschlossenen Konsolidierungsmaßnahmen sowie ggf. ein Ausgleich selbst verursachter Verschlechterungen Berücksichtigung finden dürfen. Bei externen Verschlechterungen kommt nach Auffassung des Rates der Stadt Hagen nur eine Verschiebung des Ausgleichszeitraumes in Betracht. Hier erwartet der Rat eine Gleichbehandlung mit den Städten Wuppertal und Oberhausen, die eine Verschiebung des Ausgleichszeitraumes auf 2017 genehmigt bekommen haben.

Begründung:

Die Landesregierung NRW ist mit dem Stärkungspaktgesetz einen ersten Schritt in die richtige Richtung gegangen. Zwar entspricht die Höhe der Unterstützung nicht dem Gutachten der Professoren Lenk und Junkernheinrich, jedoch stellt die Landeshilfe trotzdem einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der kommunalen Finanzsituation in NRW dar. Allerdings darf nicht vergessen werden, dass diese Landeshilfe nur temporär gezahlt wird und die teilnehmenden Kommunen sich zum Ende des Planungszeitraumes 2021 ausschließlich selbst konsolidieren müssen.

Trotz dieser Probleme in der Ausgestaltung des Stärkungspaktgesetzes hat sich die Stadt Hagen als pflichtig teilnehmende Kommune mit umfassenden Haushaltssanierungsplänen eingebracht. Politik, Verwaltung und Bürger haben in umfangreichen Diskussionsrunden Sparpakete geschnürt und – wenn nötig – auch nachgebessert. Hierzu ist der Rat der Stadt Hagen bei den Konsolidierungsmaßnahmen bis an seine Schmerzgrenzen gegangen, wie die Erhöhung der Gewerbesteuer und vor allem der Grundsteuer auf den mit 750 Punkten höchsten Wert einer Großstadt in NRW zeigt.

Bis einschließlich 2013 konnten nicht nur die Haushaltssanierungspläne eingehalten, sondern auch noch deutliche Verbesserungen in den Jahresabschlüssen gegenüber den Plandaten erzielt werden. Die Stadt Hagen hat ihre Hausaufgaben gemacht und ihren Teil der Verabredungen im Rahmen des Stärkungspaktes eingehalten.

Nachdem die Stadt Hagen einen ersten Einbruch der Gewerbesteuer im Jahr 2012 um über 20 Mio. Euro noch durch weitere Konsolidierungsmaßnahmen auffangen konnte, ist für das Jahr 2014 ein weiterer Einbruch um über 20 Mio. Euro bei der Gewerbesteuer zu befürchten. Gleichzeitig steigen die Sozialkosten (u.a. KdU, U3-Betreuuung und Jugendhilfe) immer weiter an und müssen die Tarifsteigerungen ebenfalls verkraftet werden.

Hierbei handelt es sich um ausschließlich externe Faktoren, die von der Stadt Hagen weder dem Grunde noch der Höhe nach beeinflussbar sind. Die Konsolidierungsmaßnahmen laufen hingegen im Saldo planmäßig.

Nach den Vorgaben des Stärkungspaktgesetzes müsste die Stadt Hagen diese massiven Einbrüche bei der Gewerbesteuer zusätzlich zu den genannten externen Kostenerhöhungen bis 2016 ausgleichen.

Konsolidierungsmaßnahmen, die solche Summen bis 2016 erbringen können, sind nicht denkbar. Allenfalls kämen hier weitere Erhöhungen der Grundsteuer in Betracht, die wegen der jetzigen Spitzenposition der Hagener Grundsteuer für den Wirtschafts- und Wohnstandort Hagen aber keinesfalls mehr vertretbar sind.

Der Rat der Stadt Hagen erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass Hagen bereits heute die höchsten Einwohnerverluste im Ruhrgebiet zu verzeichnen hat und immer noch massiv unter den Folgen des Strukturwandels leidet. Daher kann nach Auffassung des Rates einem solchen Gewerbesteuereinbruch nur durcheine Verschiebung des Ausgleichszeitraumes entgegen gewirkt werden.

Die Städte Oberhausen und Wuppertal gehören wie Hagen zu den hauptbetroffenen Städten der seinerzeitigen Neuberechnung der Hilfen aus dem Stärkungspaktgesetz. Beiden Städten wurde eine Verschiebung des Ausgleichszeitraumes auf 2017 unter Beibehaltung der vollen Fördersumme genehmigt. Hier erwartet der Rat eine Gleichbehandlung der betroffenen Städte.

Eine besondere Notwendigkeit zur Lockerung der Bestimmungen im Umgang mit externen Faktoren sieht der Rat ab 2016. Nach den Vorgaben des Stärkungspaktgesetzes müssen die Haushalte ab 2016 in jedem Jahr ausgeglichen sein. Die Stadt Hagen wäre damit verpflichtet, derartige Schwankungen der Steuereinnahmen innerhalb eines Jahres auszugleichen. Ein Ding der Unmöglichkeit!

Erschwerend kommt hinzu, dass der kommunale Finanzausgleich immer nur mit einem Jahr Verschiebung wirkt. Gleichzeitig können Konsolidierungsmaßnahmen nach jetziger Genehmigungspraxis auch dann nicht mehr zurückgenommen werden, wenn sie nach Ausgleich nur vorübergehender Lücken nicht mehr benötigt würden. Mit dieser Praxis des Ausgleiches innerhalb eines Jahres würde unweigerlich eine Steuererhöhungsspirale in Gang gesetzt, die für Hagen und alle anderen Kommunen nicht vertretbar wäre.

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