Der Hagener Rat hat am Donnerstag in nichtöffentlicher Sitzung Dr. Marco Boksteen zum neuen Geschäftsführer der Hagener Gemeinnützigen Wohnungsgesellschaft bestellt. Der erst 31-jährige Jurist aus Oberhausen ist allerdings nicht unumstritten.
So gibt es gehörige Zweifel daran, ob die Führungsqualitäten Boksteens ausreichen, ein Unternehmen zu leiten, das 5.500 Wohnungen verwaltet. In einem Jobmix fungiert er als Geschäftsführer verschiedener Unternehmen, die teilweise mit seinem Beruf nicht viel zu tun haben, deren Auftritte im Internet aber recht großmäulig und gleichzeitig eher wenig aussagekräftig daherkommen.
Die Contracter GmbH residiert im feinen Düsseldorfer Medienhafen und verspricht: „Wir bringen IT-Unternehmen zum Wachsen“. In der Rubrik „Über Contracter GmbH“ finden sich nur ganze zwei Sätze mit üblichen Verkaufsplatitüden, aber keine Angaben zu möglichen Mitarbeitern und deren Qualifikation. Referenzen, üblicherweise der Stolz jedes Unternehmens, finden sich auch keine.
Die CAMA LEONTE GmbH, „ein junges Multi-Start-Up“ („Neue Ideen sind unsere Welt“) hat ihren „Hauptsitz“ im Berliner Wedding und sucht schon mal einen Praktikanten, natürlich mit umfassender Qualifikation, für den Standort Oberhausen, Kellenbergstr. 27 b.
Unter dieser Anschrift findet sich auch die RUHRWERT Immobilien und Beteiligungs GmbH, ein ————————- mit, ———————————————————————————-, gerade mal acht Beschäftigten. ————————————————————————————–.
Die Bilanzsumme der GmbH betrug laut Geschäftsbericht 2009 keine 79.000 Euro. Das ist ein Fliegenschiss im Vergleich zu Boksteens neuem Tätigkeitsbereich: Die ha.ge.we. weist in ihrem Geschäftsbericht des gleichen Jahres eine Bilanzsumme von 93.000.000 Euro aus – eine paar Tausend gegen viele Millionen.
Daneben tritt die Boksteen-Ruhrwert als ein Unternehmen auf, das mit seinen Erfahrungen in der Behandlung von Wohnraum als Ware wirbt, etwas, das die Philosophie gemeinnütziger Wohnungsunternehmen geradezu konterkariert:
„Die hohe Zahl der aktuellen Transaktionen in der Metropolregion Rhein-Ruhr belegt, dass der deutsche Wohnimmobilienmarkt derzeit attraktive Chancen hinsichtlich des absoluten Preisniveaus sowie insbesondere in Bezug auf erzielbare Mietrenditen bietet. (…)
In- und ausländische Investoren profitieren von der professionellen Beratung bereits bei Auswahl, Finanzierung und Akquisition bis hin zu Modernisierung und Mietermanagement sowie der kompletten Vermarktung. Als operativer Partner ermöglicht die Ruhrwert somit auch Anlegern ohne etablierte Infrastruktur im deutschen Markt, in lokale Wohnungsbestände zu investieren.“
Das erscheint verbal ziemlich hochgegriffen, vermag die Boksteen-Firma unter der Überschrift „Englischer Privatinvestor kauft in Essen-Frillendorf“ doch nur eine einzige Referenz in diesem Segment aufzuweisen: „Die Oberhausener RUHRWERT Immobilien- und Beteiligungsgesellschaft mbH konnte erfolgreich innerhalb weniger Monate ein Mehrfamilienhaus in Essen–Frillendorf vermitteln.“ ————————————————–!
Sowieso ist man global player, in Rumänien beispielweise. Da weiß RUHRWERT: „Die gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen bieten einen idealen Nährboden für renditestarke Investments in Immobilienbestände.“ Nährboden – der passende Terminus für die Verhältnisse in einem der korruptesten Staaten Europas, in dem sich Politik und organisierte Kriminalität die Klinke in die Hand geben.
Apropos Rumänien: Dieses Land stellt – nach eigenen Angaben – auch einen Tätigkeitsschwerpunkt der Düsseldorfer Anwaltskanzlei GTW dar, in der Dr. jur. Marco Boksteen ebenfalls tätig ist. GTW berät u.a. bei der Gestaltung von PPP-Modellen nicht nur in allen rechtlichen, sondern auch in den praktischen Fragen der Anbahnung und Abwicklung. PPP (public privat partnership) wird von vielen Experten als die teuerste Möglichkeit für die Öffentliche Hand angesehen, einen Kredit aufzunehmen.
Politisch ist Marco Boksteen im SPD-Ortsverein Oberhausen-Ost beheimatet. Er soll Rechtswissenschaften an der Bochumer Ruhruniversität zeitgleich mit Timo Schisanowski studiert haben. Schisanowski ist Hagener Ratsmitglied, Juso-Vorsitzender, Chef des Thieser-Ortsvereins Haspe-Süd und – Aufsichtsratsvorsitzender der ha.ge.we.
Insgesamt soll es ca. 150 Bewerbungen für die Position des neuen ha.ge.we.-Geschäftsführers gegeben haben. Kaum vorstellbar, dass Boksteen die einzige mögliche Wahl gewesen ist.
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