Über das umstrittene Projekt „Bahnhofshinterfahrung“ sollen nach dem Willen der Fraktion HAGEN-AKTIV die Hagener Bürger selbst entscheiden. Der Weg dazu soll nach den Vorstellungen der Wählergemeinschaft über einen sogenannten „Ratsbürgerentscheid“ erfolgen.
Nach der 2007 geänderten Gemeindeordnung ist es in NRW möglich, dass der Rat wichtige Entscheidungen in die Hand der Bürger zurückgibt. Dazu ist allerdings ein Beschluß mit einer 2/3-Mehrheit notwendig. Bei der allgemein verbreiteten Pöstchen- und Funktionsorientierung der Ratsmehrheit ist es allerdings eher unwahrscheinlich, dass diese plötzlich auf „Basisdemokratie“ umschwenkt.
Die Alternative zu diesem Procedere wäre die Einleitung eines ebenfalls möglichen Bürgerbegehrens mit anschließendem Bürgerentscheid. Bei diesem Verfahren sind aber gleich zweimal hohe Hürden zu überwinden. Beim Bürgerentscheid müssten mindestens 20% der Hagener Wahlberechtigten dem Begehren zustimmen. Zum Vergleich: der amtierende Hagener Oberbürgermeister Dehm wurde nur mit 17, 8% gewählt. Zusätzlich müsste bei diesem Weg schon das Begehren mit mindestens 10.000 Unterschriften unterstützt werden.
Das hört sich nicht nach besonders viel an, aber unter Berücksichtigung der Hagener Realitäten stellt diese Zahl schon ein Hindernis dar. Bei Großprojekten dieser Art gibt es traditionell eine unheilige Allianz zwischen dem politischen Establishment auf der einen und den monopolartigen lokalen Medien auf der anderen Seite. Eine notwendige kritische Betrachtung bleibt da in der Regel auf der Strecke.
So auch bei der Bahnhofshinterfahrung. Die Homepage der Stadt Hagen hat für das momentane Lieblingsprojekt der Verwaltung eigens einen Bereich eingerichtet, auf dem auch ein zweiseitiger Propaganda-Artikel der WAZ-Presse zu finden ist. Kritische Aspekte sind (selbstverständlich) ausgeblendet.
Dabei müsste doch eigentlich einiges auffallen.
Die Bauzeit für gut anderthalb Kilometer Straße wird mit sage und schreibe 10 (in Worten: zehn!) Jahren veranschlagt. Und dies vor dem Hintergrund, dass – nach Aussage der Verwaltung – keine größeren technischen Probleme zu erwarten sind. Zum Vergleich: die Schweiz baut momentan den Gotthard-Basistunnel. Das sind zwei Röhren mit jeweils 57 Kilometern. Als Gesamtbauzeit sind bei diesem technisch wesentlich anspruchsvolleren Vorhaben 15 Jahre Bauzeit vorgesehen.
Eine Genehmigung seitens des Landes (und entsprechende Zusagen für Gelder) liegen bisher nur für den ersten Bauabschnitt über das Varta-Gelände bis zur Weidestr. vor. Der Rest steht in den Sternen.
Die immer wieder ins Feld geführte Aufwertung des unteren Wehringhausens dient nur der Volksberuhigung. Zwar ist in den veröffentlichten Plänen die Wehringhauser Str. schön bunt ausgemalt und auch die Umgestaltung des Bodelschwinghplatzes ist dort eingezeichnet – aber: Keine dieser Maßnahmen ist Bestandteil der Finanzierung der Bahnhofshinterfahrung. Ein reines Täuschungsmanöver.
Die Hinterlassenschaften der Batterieproduktion der Varta (u.a. Blei- und Cadmium-Rückstände) sollen nicht entsorgt, sondern mit der Straßenbaumaßnahme „gedeckelt“ werden. Mit diesem „Landschaftsbauwerk“ soll der vergiftete Boden aus den Augen der Allgemeinheit verschwinden. HAGEN-AKTIV spricht zurecht von einer „ökologischen Zeitbombe“.
Am 11. Juli wird man weiter sehen. Dann soll der Antrag auf Bürgerentscheid in die Ratssitzung eingebracht werden. Und dort wird sich zeigen, welche Fraktion über welches Demokratieverständnis verfügt.
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